Künstler | Kyle Craft | |
Album | Dolls Of Highland | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Wer so von Cover seines Debütalbums blickt wie Kyle Craft, der wollte wohl schon sein Leben lang ein Popstar sein. Könnte man meinen. Bei dem 27-Jährigen liegt man da aber falsch. Er wuchs in der Pampa von Louisiana auf, sein größtes Hobby war angeblich das Fangen von Alligatoren. Erst ziemlich spät in seiner Jugend zeigte ihm ein Best-Of-Album von David Bowie, welche Möglichkeiten die Musik bietet. Noch deutlich später gab es dann den wirklichen Auslöser für das am Freitag erscheinende Dolls Of Highland: das Ende einer Langzeitbeziehung. “All of a sudden I was left with just me for the first time in my adult life”, stellte er fest – und packte seine Sachen.
“After everything fell apart, it didn’t take very long for me to learn who I was and what I should be doing”, lautete seine Erkenntnis, nachdem er in Portland einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden hatte, wo ihm ein paar Jungs von The Helio Sequence bei den Aufnahmen unterstützt haben. Thematisch ist die Platte allerdings fest in der alten Heimatstadt verwurzelt. “I dedicated the album to Shreveport and called it Dolls Of Highland for all the girls and ghosts in town who influenced it so strongly”, sagt Kyle Craft, und gibt auch gleich noch einen Eindruck der Atmosphäre, die hier herrscht: “This album is the dark corner of a bar. It’s that feeling at the end of the night when you’re confronted with ‘now what?’”
Was er damit meint, illustrieren Lieder wie Pentecost, der beste Track dieser Platte, der vom Selbstmord eines guten Freundes erzählt. Der Song zeigt zugleich aber auch das Problem von Kyle Craft, nämlich seine Stimme: Er singt nicht, als wolle er als er selbst etwas mitteilen, sondern als wolle er jemand anders sein. Mal klingt da Ben Kweller an (mit dem er auch die Eigenschaft teilt, fast alle Instrumente selbst einzuspielen), mal Billy Joel (was Dolls Of Highland gelegentlich etwas gestrig klingen lässt), mal Ryan Adams in seiner „Zwischen allen Stühlen“-Phase wie in Balmorhea.
Trinidad Beach (Before I Ride) lässt seine Bewunderung für John Lennon erahnen. Future Midcity Massacre könnte von Frank Turner sein, wenn in dessen Lebenslauf nicht “Hardcore” stehen würde, sondern “Hootenanny”. Der deutlichste Einfluss ist allerdings Bob Dylan, was Kyle Craft auch gar nicht abzustreiten versucht. ”I’m fully aware that I have a very abrasive, very loud voice, but Bob Dylan is the one that taught me to embrace that”, sagt er. “I stray away from him from time to time, but always come back. I don’t want to come off as antique, but I also don’t want to be afraid of paying homage to the stuff I’ve always loved.”
Im Album-Auftakt Eye Of A Hurricane ist das unverkennbar: Man merkt sofort, wie gerne er Bob Dylan sein will, wenn auch mit etwas mehr Ragtime-Ausgelassenheit und Pop-Appeal. Auch Jane Beat The Reaper hat diese Vorliebe für Orgel, feuchtfröhliche Stimmung und Karneval. Das enorme Engagement von Lady Of The Ark (“A very incestuous song. It’s about these messed up relationships, maybe involving me, maybe revolving around me”, sagt Kyle Craft) und der hübsche, eher skizzenhafte Titelsong passen ebenfalls in diese Reihe.
Sehr vieles ist okay auf Dolls Of Highland, aber eben nicht mehr als das. Man merkt, wie sehr der Künstler in diesen Liedern aufgeht, aber es fehlt das Besondere, sodass das Ergebnis gleich mehrfach ein wenig zu exaltiert und selbstverliebt klingt. Black Mary ist ziemlich gut, aber das “ziemlich” in diesem Satz kann man eben nur beinahe ausblenden. Falls das von ihm besungene Berlin nicht der Name einer zwielichtigen Damenbekanntschaft ist, dann übertrifft er sich selbst mit schlechten Metaphern für die partysüchtige deutsche Hauptstadt. Und Three Candles, der Schlusspunkt von Dolls Of Highland, wird leider auch der Tiefpunkt dieser Platte, nämlich das deutlichste Dokument von Kyle Crafts Selbstüberschätzung – nicht nur wegen der Zeile “He’ll never kiss yo the way that I did.”