Künstler | Leftfield | |
Album | Alternative Light Source | |
Label | Infectious | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Mit dem Begriff „Pionier“ geht man in der elektronischen Musik gerne mal inflationär um. Auf Leftfield trifft der Terminus aber eindeutig zu. Das 1989 gegründete Duo hat einen gewaltigen Anteil daran gehabt, mit Computern erzeugte Tanzmusik in den Mainstream zu bringen. Ihre bisherigen beiden Studioalben (1995 und 1999) erreichten Platin-Status im UK, ihre Musik war in einer Fernsehwerbung für Guinness zu hören und sie haben Legenden wie Johnny Rotten und Afrika Bambaata als Gaststimmen gewinnen können. Leftfield werden in der Regel dann genannt, wenn man nach den Erfindern des Progressive House fragt. Für Mixmag sind sie „the single most influential production team working in British dance music“.
Mit Alternative Light Source gibt es nun das dritte Album von Leftfield, die mittlerweile allerdings nur noch aus Neil Barnes bestehen (Mitstreiter Paul Daley ist nicht mehr dabei). Es ist bei weitem nicht mehr so Genre-prägend wie die beiden Vorgänger, aber es ist genauso gut. Hört man sich die Platte an, muss man sich dem Urteil des Guardian anschließen, der kürzlich über ein Konzert von Leftfield geschrieben hat: „The 90s techno act has not so much moved forward as waited for the rest of the world to catch up.“
Wie man das kennt, gibt es wieder einige prominente Gastsänger. Tunde Adebimpe von TV On The Radio verdelt Bad Radio mit seinem Gesang, der vielleicht klingen will wie die neutrale Information, die eine Maschine übermittelt, und doch unverkennbar das leicht betrübte Gefühl eines Menschen ist. In Head And Shoulders singt Jason Williamson von Sleaford Mods tatsächlich: „Head and shoulders / danddruff warriors“. Man darf davon ausgehen, dass er dafür kein Geld von einem Schuppenshampoohersteller bekommen hat. Aber es sollte ihm dafür schleunigst jemand eine Goldmedaille in britischer Exzentrik verleihen.
Ofei lässt den Album-Schlusspunkt Levitate For You noch ein bisschen geheimnisvoller werden, das Flüstern von Georgia Barnes ist in Universal Everything, das an die Chemical Brothers erinnert, kaum auszumachen. Gleich zweimal ist Channy Leaneagh von Polica zu hören: Ihr Beitrag in Bilocation würde sicher auch La Roux ganz ausgezeichnet gefallen. In Little Fish klingt sie wie ein Poltergeist, der über ein ziemlich kompliziertes Jump & Run-Spiel herfällt.
Fast noch spannender sind die instrumentalen Stücke auf Alternative Light Source, denn sie machen die Wirkungsweise des Leftfield-Sounds besonders transparent. Die Methode von Barnes ist nicht so sehr die Abwechslung, sondern die Wiederholung, deren Effekt sich immer weiter steigert. Das kann wuchtig, aufregend und markerschütternd werden wie in Shaker Obsession oder faszinierend wie der Titelsong, der eine akustische Gitarre mit einem altertümlichen Synthesizer vermählt.
Dark Matters, geprägt von einer Marimba, ist ruhig, aber gar nicht so dunkel (und gar nicht so sehr nach Materie klingend), wie der Titel es andeutet. Storm’s End wird tonnenschwer, und wirkt tatsächlich wie eine Landschaft, über die gerade ein vernichtender Wirbelsturm hinweggezogen ist. Dieser Sound ist nicht mehr so innovativ wie er vor 20 Jahren war. Aber er hat nach wie vor die fundamentale Leftfield-Qualität: Tanzmusik, die aber auch einiges mit dem Kopf anstellt.