Lena – „Crystal Sky“

Künstler Lena

Cover des Albums "Crystal Sky" von Lena
Sehr schick und ziemlich kühl ist Lenas „Crystal Sky“.
Album Crystal Sky
Label Universal
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Das ist eine ziemlich beeindruckende Liste: Ellie Goulding, Madonna, Kylie Minogue, Flo Mega, Atomic Kitten, Sam Smith, Emeli Sandé, Naughty Boy, Faithless, Lady Gaga, Madonna, Beyoncé. Und, ähm, Rosenstolz.

All diese Künstler gehören zu den Referenzen der Produzenten und Songwriter, mit denen Lena Meyer-Landrut für ihr viertes Album zusammengearbeitet hat. Man kann das gut verstehen: Mit internationalem Anspruch ist sie schon auf dem Vorgänger Stardust sehr gut gefahren. Und die Idee, mit den Leuten aus der ersten Liga des Pop zu arbeiten, ist wohl der beste Weg für die endgültige Emanzipation vom Image als niedliches Castingshow-Mädchen.

„Ich wollte es diesmal elektronischer, noch ausgefallener, meinen persönlichen Musikgeschmack noch mehr ausleben“, sagt die 24-Jährige über Crystal Sky. „Ich wollte schon weiterhin Pop machen, der die Leute erreicht und nicht am Ende verkopft im Keller spielen. Trotzdem wollte ich verstärkt meinen künstlerischen Anspruch mit einbringen.“

Leider hat diese imposante Liste von Hitschmieden einen unangenehmen Nebeneffekt. Lena klingt jetzt manchmal wie Kylie Minogue, manchmal wie Emeli Sandé und ganz oft wie Ellie Goulding. Aber sie klingt nirgends mehr nach Lena. Obwohl sie bei 10 der 14 Lieder einen Songwriting-Credit hat, sind die Lieder auf Crystal Sky austauschbar, und das muss man Lena nicht vorwerfen, weil man vielleicht noch immer dem netten, leicht schrägen Mädchen von nebenan aus Unser Star für Oslo nachtrauert. Sondern weil man eine persönliche Note letztlich von jedem Künstler verlangen darf.

Die Atmosphäre von Crystal Sky ist durchaus stimmig, auch die Songs sind oft gut, vor allem merkt man dem Album an, wie viel Liebe zum Detail darin steckt, etwa in den Stimmeffekten in 4 Sleeps, dem ausgetüftelten Beat des sehr gelungenen We Roam, dem gekonnten Refrain von All Kinds Of Crazy oder dem dezentem Punch und der großen Verführungskunst des Titelsongs, der sich als das bessere Taken By A Stranger erweist.

Vieles ist schick und zeitgemäß wie Lifeline oder In The Light, das toll gesungene Home ist eins von vielen Liedern mit subtiler Spannung, Catapult integriert sogar mühelos einen Rap von Little Simz. Doch es gibt auf Crystal Sky auch viel unnahbares Gesäusel. Die Formel soll wohl lauten: clubtauglich = international; elektronisch = erwachsen. Aber all die prominenten Mitstreiter sorgen eher dafür, dass die Songs – vor allem im Vergleich zum wunderbaren Vorgänger Stardust – gesichtslos werden.

Keep On Living ist so ein Fall, ein guter Song und eine beinahe spektakuläre Produktion, aber ein sagenhaft hohler Text, der problemlos auch aus dem Mund von Katy B oder Charlie XCX kommen könnte. The Girl etrinkt im Pomp, Sleep Now ist eine ziemlich langweilige Ballade, die es auch nicht schafft, ein bisschen Seele und Charakter in dieses Album zu bekommen. „I’m untouchable“, singt Lena in Invisible – so klingt sie wirklich.

Auch das sehr tanzbare Beat To My Melody hat so eine verräterische Zeile. „You’re the beat to my melody“, heißt der Refrain, und das ist bezeichnend, denn auch an vielen anderen Stellen bleiben die Songs eher Selbstreferenz als dass sie etwas bieten oder erzählen würden, was den Hörer abholen oder berühren könnte. Der Refrain der Single Traffic Lights ist eine der ganz wenigen Passagen auf diesem Album, die mit Leidenschaft gesungen sind, nicht bloß mit Stil und dem Bedürfnis, bewundert zu werden.

Es ist dieses Gefühl, dass alles auf Distanz und leicht unterkühlt bleibt, das Crystal Sky zuerst irritierend und dann enttäuschend macht. Der Platte fehlt das, was Lena bisher im Übermaß geboten hatte: Individualität.

Schick, zeitgemäß und hohl ist auch das Video zu Traffic Lights.

Im Oktober ist Lena auf „Carry You Home“-Tournee:

21.10.2015          Berlin, Heimathafen Neuköln

22.10.2015          Hamburg, Gruenspan

23.10.2015          Leipzig, WERK2 – Halle D

25.10.2015          Stuttgart, Im Wizemann (Halle)

26.10.2015          Frankfurt, Batschkapp

27.10.2015          Köln, Gloria-Theater

Homepage von Lena.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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