Künstler | Lenn |
Album | Colors Of Life |
Label | Legrain Records |
Erscheinungsjahr | 2014 |
Bewertung |
Als Baby kam Lenn Kudrjawizki mit seinen Eltern aus der Stadt, die damals noch Leningrad hieß, in die Stadt, die damals noch Berlin – Hauptstadt der DDR hieß. Es war das Jahr 1975. Wenig später hatte er die ersten Instrumente in der Hand, mit vier Jahren stand er mit einer Geige in der Hand mit dem russischen Staatsballett auf der Bühne – während rundherum Punk zur tonangebenden Kraft der Musikwelt wurde. Zu seiner musikalischen Früherziehung gehörte Punk jedoch offensichtlich nicht. Das beweist das morgen erscheinende Colors Of Life, das zweite Album von Lenn nach LENN – PopArt aus dem Jahr 2006.
Denn die Botschaft des Punk, dass man keine Virtuosität braucht, sondern bloß Überzeugung, um Musik zu machen, wird hier geflissentlich ignoriert. Bei Lenn gilt das Gegenteil: Er ist studierter Musiker (zur Geige kamen später noch Klavier, Komposition und Gesang hinzu), mit Felix Neumann (er spielt auf dieser Platte Keyboards, hat produziert und alle Stücke mit komponiert) hat er sogar einen offiziellen Dozenten der Akademie Deutsche POP mit an Bord. Aber kein einziges Lied auf Colors Of Life beantwortet die Frage, warum Lenn das Bedürfnis hatte, diese Töne in die Welt zu setzen, nichts kommt auch nur in die Nähe einer Existenzberechtigung. Das Album beweist: Man kann lernen, ein Instrument zu spielen, aber man kann nicht lernen, ein Künstler zu sein.
Lenns Stimme ist nichtssagend, die Texte sind schlecht, die Musik ist technisch gekonnt, aber sagenhaft belanglos, selbstgefällig und langweilig. Egal ob er sich an Latin-Sound (der Opener L.O.V.E. You) versucht, an Funk-Elementen (Thank You) oder Melancholie (Never Forget): Alles bleibt Gesäusel auf dem Niveau von Fahrstuhlmusik.
Suddenly ist ein typisches Beispiel für einen Song, der an seinem eigenen angejazzten Dünkel krepiert. I’m With You, eins von zwei Stücken, bei denen Lenns Ehefrau Nora Kudrjawizki mitgeschrieben hat, die auch Backing Vocals und Streicher beisteuert und zudem das Artwork von Colors Of Life gestaltet hat, will leichtfüßig sein, klingt aber bloß seicht. Am besten gefällt noch Today Is My Day, heiter und old-timey – aber das ist relativ zu sehen.
Was Lenn offensichtlich nicht verinnerlicht hat: Lieder sollen nicht (nur) den Kopf ansprechen, sondern auch den Bauch und im besten Falle sogar noch die Beine. Er betreibt Musik, wie andere Leute Golf spielen: als Statussymbol, weil es in gewissen Kreisen dazu gehört und weil eben eine Infrastruktur (in diesem Fall: Mitmusiker, ein Studio und erstaunlicherweise sogar eine Plattenfirma) dazu vorhanden ist. Aber ohne erkennbare Leidenschaft oder gar so etwas wie ein inneres Bekenntnis, eine Aussage, die mit dieser Kunst verbunden sein soll.
Dass er inzwischen in erster Linie als Filmschaffender im Einsatz ist (Lenn Kudrjawizki war als Schauspieler in Die Päpstin und Die Fälscher zu sehen, zudem hat er bei zwei Filmen Regie geführt, bei denen übrigens auch Felix Neumann die Musik beigesteuert hat), passt ins Bild: Für ihn ist diese Platte womöglich ein nettes Hobby nebenbei. Für alle anderen ist sie einfach nur überflüssig.
Statt Musik – der Trailer für einen Film von Lenn:
httpv://www.youtube.com/watch?v=ypqV0bYqbrQ