Künstler | Letherette | |
Album | Last Night On The Planet | |
Label | Ninja Tune | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Es gibt einen Ort, an dem man die Last Night On The Planet auf keinen Fall verbringen will: Wolverhampton. Die Stadt wurde von Daily Planet kürzlich auf Platz 5 der schrecklichsten Städte überhaupt gewählt. Noch unattraktiver als Wolverhampton sind demnach beispielsweise Detroit, Accra (Ghana) und Seoul. Selbst Orte wie Chennai (Indien), Arusha (Tansania) und Chetumal (Mexico) bieten laut dieser Liste mehr Lebensqualität.
Richard Roberts und Andrew Harber, die beiden Produzenten hinter Letherette, kommen aus Wolverhampton. Für sie ist ihr Heimatort allerdings perfekt, sagen die beiden Schulfreunde: „Because there is nothing to do.“ Zur Ablenkung mixen sie schon längst Elemente aus Rap, House, Soul und anderen Genres zusammen und haben sich so, unter anderem mit ihrem 2013 erschienenen Debütalbum als “the most fun new force in electronic music“ (wie ihre Plattenfirma Ninja Tune meint) etabliert.
Ihr gerade erschienener zweiter Longplayer Last Night On The Planet zeigt, dass ihre Arbeitsweise so ähnlich funktioniert wie ihre Heimatliebe: Sie sehen das Gute im Schlechten. Die Ergebnisse können clubtauglich sein (Wootera) oder verwaschen (Bad Sign feat. Jed & Lucia), manchmal auch eine erstaunliche Entwicklung von beschaulich hin zu druckvoll nehmen (Rubu). Grundprinzip ist aber stets ein gewitzter Umgang mit Samples und die spielerische Herausforderung, selbst die langweiligsten Klangbausteine so neu zu kombinieren, dass ein spannender Sound entsteht.
“We’ve always loved the idea that you can take the naffest track imaginable [and] sample certain parts to transform it into something you think is amazing”, haben sie im Interview mit dem DJ Magazine erzählt. “It’s like you uncover a secret, in a way. The track was always there within the details of the record, and you unlock it with sampling.”
So gelingt ihnen auf Last Night On The Planet sehr origineller HipHop wie in Momma feat. Rejjie Snow: Die Gene verweisen auf G-Funk und TripHop, die Orgel ist deutlich prominenter als der Beat. Auch der Titelsong (feat. Pyramid Vritra von Stones Throw) ist ein Höhepunkt. Soulette beweist ebenfalls, wie ambitioniert der Ansatz von Letherette sein kann.
Dog Brush wird so entspannt, dass sich auch Rentner nicht gestört fühlen dürften, wenn der Song am Pool auf der Mittelmeerkreuzfahrt gespielt werden sollte. Das ebenfalls instrumentale Rich & Dan beweist, dass es für einen ordentlichen Groove kein bisschen Härte braucht. Am besten zeigt die Single Shanel, wie die Methode von Letherette funktioniert: Der Track steckt knietief in den Eighties und klingt, als seien Jean-Michel Jarre und Kool & The Gang übereinander hergefallen.
Manchmal ist Last Night On The Planet durch dieses Sampling-Fundament und den Ansatz von Roberts und Harber, bei der Auswahl ihrer Quellen und der Umsetzung ihres Sounds auch den Humor nicht zu kurz kommen zu lassen, ein wenig beliebig. Auf jeden Fall macht dieses Album aber viel mehr Spaß, als man an einem tristen Ort wie Wolverhampton für möglich halten sollte.