Künstler | Local Natives | |
Album | Sunlit Youth | |
Label | Infectious | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Ein paar Takte lang scheint es so, als hätten sich Local Natives für den Start ihres dritten Albums eine ganz besondere Aufgabe gestellt. Nämlich das Rätsel zu lösen, ob man auf dem Equipment von Modern Talking auch gute Songs machen kann. Die Antwort lautet: eindeutig ja. Die Melodie von Villainy ist allerliebst, der Beat ist großartig, drängt sich aber nicht in den Vordergrund und wird dadurch noch reizvoller.
In Wirklichkeit war mit dem Track ein ganz anderer Ansatz verbunden, erzählt Ryan Hahn, Gitarrist des Quintetts aus Los Angeles. “Lyrically, Villainy is about realising that you have the ability to change your situation, that you can start again everyday. We applied that to how we made music this time around. We wanted all the new songs to have a different energy, to challenge ourselves to do something different each time.”
Diese Methode macht Sunlit Youth zu einem extrem abwechslungsreichen und erfreulich originellen Album. Die Grundstimmung ist bei den Kaliforniern noch immer tiefenentspannt und todschick wie etwa im wundervollen Dark Days: Ein Lied, das (auch durch den sehr gelungenen Gastauftritt von Nina Persson) wahrscheinlich nirgends besser klingt als auf einem Segelboot. Doch es gibt auch Songs mit prominenter E-Gitarre und Soul-Attitüde (Coins), vergleichsweise plakative Momente mit einem Beat, der von Fatboy Slim sein könnte (Mother Emanuel), oder Alltagsanekdoten zur akustischen Gitarre, so romantisch und detailversessen erzählt, wie man das einst von den Arctic Monkeys kannte (Ellie Alice).
Was den Appeal der Local Natives ausmacht, zeigt ein Song wie Jellyfish, an dem Little Dragon mitgeschrieben haben: Die Musik ist hochgradig durchdacht, der Gesang hochgradig emotional. In vielen Passagen von Sunlit Youth kann man eine enorme Entschlossenheit erkennen wie etwa in Masters mit seinem klasse Gitarrensolo, die aber nicht verbissen klingt, sondern cool. Eine vermeintlich selbstverständliche Zeile wie “We can do whatever we want / we can say whatever we mean” lässt die Band in Fountain Of Youth, dem besten Lied dieser Platte, tatsächlich befreiend, erhebend und wie eine Offenbarung klingen. Psycho Lovers zeigt, wie eingängig dieser Sound bei allem Willen zum Besonderen sein kann: Das kann man sich durchaus im Stadion vorstellen; etwa als Vorgruppe von Coldplay könnten die Local Natives damit durchaus reüssieren.
“A lot of the excitement in making this new album came from discovering how to make songs in different ways. You start thinking, ‘What do I want to hear?’ Forget about what we’ve done and what people expect. This is a song that I would want to hear”, umreißt Ryan Hahn noch einmal die Herangehensweise. Die Weigerung, eingetretene Pfade zu beschreiten und sich klanglich auch von den Vorgänger-Alben Gorilla Manor (2010) und Hummingbird (2013) abzuheben, hört man Sunlit Youth sehr deutlich an, beispielsweise im hymnischen Everything All At Once, im Kern eine Klavierballade, aber weit entfernt von den Klischees, die man standardmäßig mit diesem Begriff assoziiert.
In Sea Of Years, das die Platte abschließt, gilt ebenfalls: Traditionell ist nur der Effekt, den die Musik erzielen soll (also ein eingängiger Song, der zugleich staunen lässt), hoch innovativ ist hingegen die Umsetzung. Vielleicht am besten zeigt Past Lives, wie die neuen Local Natives funktionieren: Sänger Kelcey Ayer, der hier wie die Mitte aus Bono und Brandon Flowers klingt, beglückt uns mit pointierten und persönlichen Texten (“Save me / from the prime of my life”), dazu entsteht ein äußerst gelungener Spannungsbogen. Das klingt, als würden in jedem Takt drei Ideen stecken – und so ist es wohl auch.