Künstler | Lou Barlow | |
Album | Brace The Wave | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Er kann es nicht lassen, auch nicht mit knapp 50. Und er weiß auch, woran das liegt. Er fühle sich “most comfortable writing uncomfortable songs”, sagt Lou Barlow. “I love the cozy self-delusion of the creative process. Finishing songs, making records and holding the finished piece in hand is incredibly satisfying.”
Es ist dieses Gefühl, das ihn dank Dinosaur Jr., Sebadoh und Folk Implosion zur Indie-Ikone gemacht hat und nun dazu führt, dass er nach dem Solo-Debüt (2005) und Goodnight Unknown (2009) seine dritte Platte unter eigenem Namen vorlegt. Aufgenommen hat er sie in Massachusetts, wo Lou Barlow nach einem 17 Jahre währenden Abstecher nach L.A. mittlerweile wieder zuhause ist. An den Reglern saß Justin Pizzoferrato, der auch bei den letzten Platten von Dinosaur Jr. nach der Wiedervereinigung im Jahr 2005 mitgewirkt hatte.
Wenn man bedenkt, wie sehr die Mitglieder der Band einmal verkracht waren, dann ist es fast rührend, wie sehr sich Lou Barlow und J Mascis mittlerweile (ausgerechnet) in ihrem Solowerk angenähert haben. Beide frönen der Erkenntnis, dass man leidenschaftliche, verletzliche Musik auch ohne Verstärker machen kann. Während Mascis sich zuletzt an der akustischen Gitarre austobte, setzt Barlow allerdings auf eine tiefer gestimmte Ukulele, die den Sound von Brace The Wave dominiert und oft genug das einzige ist, was man hier neben seiner Stimme zu hören bekommt. Kleine Tupfer im Instrumentarium wie ein Synthesizer in Moving oder E-Gitarre und Stimmeffekte in Repeat verhindern dabei die Langeweile.
Auch die Spontaneität des innerhalb von sechs Tagen aufgenommenen Albums trägt dazu bei, das Ergebnis frisch klingen zu lassen. Lieder wie das an Donovan (!) erinnernde Redeemed hat er erst im Studio geschrieben, sagt Barlow. Andere Stücke wie das sehr hübsche C & E (ein romantisches Liebeslied, nicht mehr und nicht weniger) waren schon fertig und wurden dann live eingespielt.
Hat er es geschafft, seine Stimme wie ein Saiteninstrument klingen zu lassen? Oder ist es eher umgekehrt?, fragt man sich bei einem Song wie Moving. So zerbrechlich im Sound und so ehrlich im Text wie die Lieder von William Fitzsimmons wirkt Pulse, auch im zärtlichen Lazy klingt Barlow, als hätte er nie etwas anderes gemacht als feinfühlige Balladen. Nerve, das beste Stück der Platte, stützt diesen Eindruck und wird eine wunderbare Reflexion über die Grenzen von Ehrgeiz und den Sinn von Bescheidenheit.
All das macht Brace The Wave zu einer sehr wohltuenden Platte, die niemals klingt, als würde sich ein ehemaliger Rabauke nun notgedrungen etwas kleinlauter geben. Sondern immer so, als lebe da jemand in Würde eine introvertierte Seite aus, die immer schon da war.