Künstler | Lowly | |
Album | Heba | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Hört man zuerst die Musik von Lowly und schaut sich dann ein Foto der Band aus Dänemark an, gibt es eine große Überraschung: fünf Leute! Man möchte kaum glauben, dass auf Heba tatsächlich ein Quintett agiert, denn das in einer Woche erscheinende Debütalbum von Kasper Staub (Synthies), Nanna Schannong (Gesang, Gitarre), Soffie Viemose (Gesang, Elektronik), Thomas Lund (Bass, Moog) und Steffen Lundtoft (Schlagzeug) klingt so sehr nach einem einzigen Geist, dass man eindeutig ein Solowerk vermutet hätte.
Das selbgewähltes Genre von Lowly ist “noise-pop, and everything in between”, doch viel eher verrät der Titel ihrer ersten EP, wohin hier die Reise geht: Sink Way Into Me hieß das 2016 veröffentlichte Werk, und genau diese Innerlichkeit, Abgeschlossenheit und Intimität prägt auch Heba. Die Perspektive ist verträumt, die Ästhetik enorm ausgereift, die Stimmen von Nanna Schannong und Soffie Viemose sorgen in ihrem Zusammenspiel oft für eine fast magische Atmosphäre, die durch die extrem schicke Produktion (unter anderem von Anders Boll, der lange bei Efterklang im Einsatz war) verstärkt wird.
In einem Song wie Cait #2 ist alles enorm reduziert, die Töne sind so schwer zu finden wie ein Einhorn im Märchenwald. No Hands bleibt behutsam trotz Störgeräuschen wie Gitarrenfeedback und wirren Funksignalen. Pommerate ist ein Lied wie eine vorbeischwebende Wolke, der Album-Schlusspunkt Not So Great After All gleicht einer völlig selbstvergessenen Skizze.
Heba bietet reichlich ungewöhnliche Beats, auch wenn sie sich nicht in den Vordergrund drängen, die fast immer von einem sehr spannenden Bass begleitet werden. Benannt ist die Platte nach einer gemeinsamen Freundin der Band, die mit ihrem Ehemann aus Syrien nach Dänemark floh. “We are not a particularly political band, but we recorded the album while thousands of people were fleeing and getting killed. The frustration of Europe and our own country being unwilling to help, and bureaucracy being valued higher than human lives, affected us deeply”, sagt Kasper Staub. “There are lyrics about that, but also your average love song, which Heba also is a symbol of.”
Zu den Höhepunkten zählt der Auftakt Still Life, der schüchtern beginnt, am Ende aber (auch dank des Gastauftritts von Sopranistin Anna Maria Wierød) majestätisch wird. Look At The Sun ist etwas herber als die meisten Stücke auf Heba und wird dadurch äußerst geheimnisvoll, mit Stubborn Day zeigen Lowly, dass sie auch ein wenig plakativ sein können (was sie dann in die Nähe von Kate Bush rückt). Wenn es mal einen vergleichsweise entschlossenen Beat gibt (wofür man dankbar ist, denn Dynamik ist ein rares Gut auf diesem Album) wie in Prepare The Lake, fühlt man sich angenehm an Stars erinnert.
Beim genauen Hören wird auch deutlich, dass die Platte bei aller Homogenität natürlich doch verschiedene Facetten offenbart, hinter denen verschiedene Persönlichkeiten stecken (schließlich lernten sich die Mitglieder von Lowly an der Musikhochschule in Aarhus kennen, und da mag man wohl kaum sein eigenes Können und seine eigenen Ideen verbergen). In Mornings scheint jede Tonspur eine eigene Welt zu sein, Word ist ebenfalls ein spannendes und vielschichtiges Beispiel für dieses Phänomen. Ebenso gilt das für Deer Eyes, in dem zwar die Stimme dominiert, aber trotzdem jedes Instrument und jeder Ton erstrahlen darf. So schön kann also Symbiose sein.
Ist das schon 360°? Im Video zu Prepare The Lake wird nach unten, nach oben und durch eine Brille geschaut.
Lowly sind im April live zu erleben:
03.04. Köln – Yuca
04.04. Berlin – Privatclub
05.04. Hamburg – Häkken