Künstler | Man Without Country | |
Album | Maximum Entropy | |
Label | Lost Balloon | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Auf Johann Ohneland, im 13. Jahrhundert König von England, spielen Man Without Country mit ihrem Bandnamen nicht an. Auch nicht auf die beinahe gleichnamige Kurzgeschichte von Edward Everett Hale, die 1863 herauskam. Sondern auf die Tatsache, dass Ryan James und Tomas Greenhalf, die beiden Mitglieder der Band aus Wales, lange zu kämpfen hatten, bis sie eine musikalische Heimat gefunden hatten.
Spätestens mit dem Debüt Foe (2012) haben sie es dann doch geschafft, den Platz zwischen allen Stühlen hört man aber auch dem gerade erschienenen Nachfolger Maximum Entropy noch an. Die Musik von Man Without Country ist so exakt in der Mitte zwischen Pop und Elektronik, dass man glauben kann: Wenn sie irgendeinen Effektregler hier nur um eine Winzigkeit verändern, kippt der Sound plötzlich auf eine der beiden Seiten und ist glasklar zuzuordnen.
Während eine Genre-Heimat für dieses Album also schwer zu definieren ist (die Tatsache, dass Man Without Country unter anderem mit M83 auf Tour waren und schon Remixe beispielsweise für Two Door Cinema Club, Interpol oder Band Of Skulls abgeliefert haben, hilft zumindest ein bisschen weiter), ist eine historische Verortung kein Problem: Ryan James und Tomas Greenhalf feiern auf Maximum Entropy das Jahr 1983.
Claymation hüllt sich in Wattewolken aus Synthieklängen, Deadsea wird sphärisch, Virga wäre auch im Repertoire von Erasure denkbar. Die Single Laws Of Motion, mit dem Gesang von Morgan Kibby, erinnert an Yazoo. Incubation ist, passend zum Titel, ein einziges Anschwellen, bei dem erst nach drei Minuten der Gesang einsetzt. Kongeniale Songtitel gibt es übrigens noch mehrere: Oil Spill klingt tatsächlich träge, beunruhigend und auf eine kaputte Weise malerisch wie eine riesige Öllache. Loveless Marriage wirkt so verloren, als wolle es sich selbst betäuben.
Catfish wird House in einer vorsichtigen Variante, Romanek wird Ambient in einer spannenden Variante. Deliver Us From Evil ist einer der wenigen Songs, in denen das Schlagzeug tatsächlich antreibt (und am Ende sogar martialisch ist), ansonsten werden Drums bei Man Without Country eher als Ergänzung genutzt, sie sind nicht Motor, sondern Dekor. Dass sie gelegentlich auch zupackend sein können, illustriert aber beispielsweise Entropy, das in einigen Passagen sogar in die Nähe von Industrial rückt, wäre da nicht die verträumte Stimme von Ryan James. Sein Gesang schwebt auch ansonsten gerne in einer eigenen Welt; die Stimme ist nicht so gebieterisch wie ein Gott, aber doch entrückt wie ein Prophet.
Ganz am Ende springt Maximum Entropy allerdings doch noch zehn Jahre nach vorne: Den Schlusspunkt des Albums, das Man Without Country in ihrem eigenen Studio im Süden von Wales aufgenommen haben, bildet eine Coverversion von Sweet Harmony, 1993 ein großer Hit für The Beloved. Die beiden nachgeborenen Waliser spielen das weitgehend originalgetreu, verleihen dem Stück aber ein bisschen mehr Punch.
Es ist eine gute Wahl für den Rausschmeißer, in dreifacher Hinsicht. Zum einen hat Jon Marsh, Sänger von The Beloved, sich wohlwollend über diese Neuinterpretation geäußert, aus berufenerem Munde ist ein Lob wohl kaum denkbar. Zweitens ist Sweet Harmony der Song, der im YouTube-Kanal von Man Without Country bisher mit Abstand die meisten Aufrufe bekommen hat, dürfte dem Duo also einen ordentlichen Schub beim Bekanntsheitgrad geben (und in der Tat zeigt das Stück, wie gut es dem Sound des Duos tut, wenn Songs ein bisschen mehr Text und Struktur haben). Und drittens fasst das Lied gut zusammen, wo Ryan James und Tomas Greenhalf dann doch einzuordnen sind: Pop, mit synthetischen Mitteln, traurigen Texten und der Hoffnung auf eine große Versöhnung.