Mando Diao – „Good Times“

Künstler Mando Diao

Good Times Mando Diao Kritik Rezension
„Good Times“ ist das achte Album von Mando Diao.
Album Good Times
Label Warner
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

„The story continues“ steht gerade auf der Website von Mando Diao. Sofort auf der Startseite, gleich in der zweiten Zeile unter dem Bandnamen. Damit ist nicht nur gemeint, dass heute das achte Album der Schweden erscheint. Es bedeutet auch, dass das Quintett sich gegen etliche Widrigkeiten durchkämpfen musste, bis es bei Good Times herauskam. Die Plattenfirma spricht sogar von der „schwierigsten Phase ihrer bisherigen Karriere“.

In der Tat sah einiges bei Mando Diao in der jüngeren Vergangenheit nach Identitätskrise aus. Es gab ein Album auf Schwedisch und ein elektronisches Nebenprojekt, auch die Konzerte zeigten manchmal eine Band auf der Suche nach ihrem Markenkern. Als dann im Juni 2015 Sänger und Gitarrist Gustaf Norén seinen Ausstieg erklärte („Das ging von ihm aus, er wollte dieses Leben nicht mehr führen“, erläutert Björn Dixgård, der frühere Co- und nun alleinige Frontmann, die Gründe des Ausstiegs seines Kompagnons), hätte das der Sargnagel für Mando Diao sein können.

Die Karriere zu beenden, kam für die verbliebenen Mitglieder aber zu keinem Zeitpunkt infrage, betont Björn Dixgård: „Wir lieben diese Band, sie ist für uns wie eine große Familie. Weiterzumachen war für uns die einfachste Entscheidung der Welt.“ Dass dies kein Lippenbekenntnis ist, beweist Good Times mit jeder Note: Mando Diao, verstärkt durch den neuen Gitarristen Jens Siverstedt, klingen hier quicklebendig.

Das hervorstechendste Merkmal des Albums, auch im Vergleich zu den letzten Platten, ist die Freiheit, die sich Mando Diao diesmal nehmen. Weiterhin gibt es in ihrem Sound viele klassische Elemente, aber nirgends Schema F. Der Titelsong ist um eine Synthesizer-Figur herum aufgebaut und gönnt sich ein plötzliches Break mit einem Orgelsolo. Die Single Shake und die Ballade Brother spielen mit Gospel-Elementen, Watch Me Now erlaubt sich ein ungewöhnlich ausgiebiges Gitarrensolo auf einem sehr schönen Groove.

Dancing All The Way To Hell bringt etwas New-Wave-Gefühl und eine klasse Dramaturgie in die Welt von Mando Diao. Der Vocoder in Voices On The Radio erklingt nicht als verzweifelter Modernismus, sondern aus echter Lust am Experimentieren. Und so soft wie im Album-Schlusspunkt Without Love hat man die Schweden selten gehört. Der Gesang ist ein Flüstern, die Streicher sind hoch elegant, dazu kommt eine gute Portion Disco – das Ergebnis klingt eher nach Bordeaux als nach Borlänge.

Neuer Mut wird auch am anderen Ende von Good Times erkennbar: Break Us ist ein extrem ungewöhnlicher Opener, eine reduzierte Ballade über den Wert des Zusammenhalts. Das könnte der Treueschwur eines Liebespaars sein, aber es passt eben auch für eine Band. „All the wars we fought / all the love we lost / it won’t break us.“

Money ist typisch Mando Diao: Eine sehr einfache Idee, aber eine sehr überzeugende (und funky) Umsetzung. All The Things ist zunächst fast ein wenig verkrampft in seiner optimistischen Entschlossenheit, lässt am Ende aber echtes Feuer erkennen. Im Refrain von Good Times (bei diesem Song hat mit Samuel Giers übrigens ein weiteres Ex-Mitglied mitkomponiert) klingt Björn Dixgård wie Scatman John, trotzdem (oder auch deshalb) ist das sehr kurzweilig. Der Titel des Songs (und damit des Albums) ist derweil ironisch gemeint, stellt Bassist Carl-Johan Fogelklou klar: „Wir haben eine gute Zeit in einer beschissenen Welt.“

Shake vereint viele Stärken der Schweden: Der Beat ist simpel, aber tanzbar. Der Text ist stupide, aber eingängig. Die Stimme ist rau, die Gitarrenfigur ist clever, die Stimmung schreit nach Party. Auch Hit Me With A Bottle verweist auf die lässige Klasse, zu der diese Band noch immer fähig ist: Wer einen Song, der nur aus Akustikgitarre und Gesang besteht, so spannend und kraftvoll hinbekommt, muss wohl ein Naturtalent sein.

Dass nicht nur Gustaf Norén die neu gewonnenen Spielräume genießt, die er für das Familienleben und neue musikalische Ideen nutzen will, sondern auch seine ehemaligen Mitstreiter die Krise konstruktiv nutzen, ist ein Effekt, der nicht unbedingt zu erwarten war. Good Times ist ein sehr inspirierter Neustart für Mando Diao.

Das Video zu Shake führt in die Umkleidekabine von Mando Diao.

Website von Mando Diao.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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