Künstler | Mirel Wagner | |
Album | When The Cellar Children See The Light Of The Day | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Wenn es um Selbstdarstellung geht, muss Mirel Wagner eindeutig noch ein bisschen dazulernen. „More of the same“ biete ihr zweites Album nach dem Debüt im Jahr 2011, kündigt sie an. Soll sie den größten Unterschied von When The Cellar Children See The Light Of Day im Vergleich zum Vorgänger definieren, sagt sie: „I started using a plectrum.“ Viel unspektakulärer geht es nicht. Und auch die spannende Geschichte, dass sie aus Äthiopien stammt und im Alter von 18 Monaten als Adoptivkind nach Helsinki kam, will sie nicht ausschlachten. Sie ist Finnin, sagt sie. Aus die Maus.
Immerhin: Die Widmung „For my mother and father“ im Booklet des neuen Albums bekommt vor diesem Hintergrund doch noch eine zusätzliche Dimension, und auch für die Musik auf When The Cellar Children See The Light Of Day gilt das. Zwar gibt es wieder fast ausschließlich Gesang und Akustikgitarre, doch die Lieder haben mehr Kontur, die Texte noch mehr Poesie und auch Mirel Wagners Stimme ein neues Selbstbewusstsein.
Gleich zu Beginn in 1 2 3 4 lässt der Gesang eher Bösartigkeit vermuten als Niedlichkeit. „1, 2, 3, 4 / what’s underneath the floor“, lauten die ersten Zeilen des Albums, und einiges deutet darauf hin, dass die Antwort lautet: eine Leiche im Keller. Diese unterschwellige Aggressivität und die Allgegenwart von Tod, Verwesung und Düsternis prägen die Platte. „Is this what love looks like?“, will Wagner beispielsweise in What Love Looks Like wissen, aber das ist kein fasziniert-neugieriger Blick, sondern ein angewiderter.
Die sinistre Stimmung ist nicht verwunderlich: Zum Songschreiben zog sich Mirel Wagner diesmal einen Monat lang in eine Hütte ohne Heizung und Strom im Norden Finnlands zurück, die den Eltern ihres Managers gehört. Mitgebracht hat sie Lieder wie The Dirt mit abgehackten Akkorden, einem quälend langsamen Tempo und einer elektrischen Slide-Gitarre. Sie trägt darin die Erkenntnis vor, dass man Dreck weder essen noch trinken noch atmen kann – so eindringlich, dass man förmlich spürt, mit wie viel schmerzhaften Erfahrungen diese Erkenntnis gewonnen wurde.
In Oak Tree setzt sie auf eine zweite Stimme, ein leises Summen lässt sich im Hintergrund von In My Father’s House ausmachen, bei The Devil’s Tongue gibt es zwei Gitarren. Noch weiter reduziert als der hier übliche, spartanische Blues wird Taller Than The Tall Trees, denn darin gibt es gleich nur noch eine einzige Melodie, die sich Gesang und Gitarre teilen müssen wie die letzte Ration eines kostbaren Proviants vor dem Untergang der Welt.
Trotz dieser minimalistischen Arrangements auf When The Cellar Children See The Light Of Day entsteht allerdings nie der Wunsch, noch das eine oder andere Instrument hinzuzupacken; stets hat man die Gewissheit, dass diese Lieder genau so ihre definitive Form gefunden haben. Das liegt nicht nur daran, dass man einen derart reduzierten Sound im Genre der Kellerkinder seit Jahrzehnten gewohnt ist, von Leonard Cohen bis Mark Lanegan. Es liegt auch an der beeindruckenden Autorität, mit der Mirel Wagner ihre Lieder vorträgt.
Ganz selten gönnt sie sich ein bisschen mehr von dem, was man gar nicht wagt, „Opulenz“ zu nennen. Das Album wurde in den Shark Reef Studios in Hailuoto von Vladislav Delay aufgenommen, und der Produzent empfahl seinen Freund Craig Armstrong als weiteren Mitstreiter. Der Schotte spielt nun Cello und Harmonium im zauberhaften Ellipsis; zum Album-Schlusspunkt Goodnight steuert er ebenfalls Harmonium und ein Klavier bei. „It was really relaxed and intimate, just the two of us in the studio”, umschreibt Mirel Wagner die Zusammenarbeit mit Delay, der sonst eher im Bereich der elektronischen Musik im Einsatz ist. “Vladislav listened to what I had to say rather than try to impose something on me. He only suggested something once, and when we tried it out, it worked perfectly.”
In der Tat gäbe es auch wenig, was man an diesen Liedern ändern wollte – sie haben oft eine Würde, die jegliches Basteln, Schrauben und Experimentieren zu verbieten scheint. Sie klingen, als wären sie uralt und für nichts weniger gemacht als die Ewigkeit.
So reduziert wie die Musik ist auch das Video zu Oak Tree.
httpv://www.youtube.com/watch?v=LoRXYB_kjak