Hingehört: Mrs Greenbird – „Mrs Greenbird“

Mrs Greenbird erweisen sich auf ihrem Debüt als ungewöhnlicher Castingshow-Act.
Mrs Greenbird erweisen sich auf ihrem Debüt als ungewöhnlicher Castingshow-Act.
Künstler Mrs Greenbird
Album Mrs Greenbird
Label Sony
Erscheinungsjahr 2012
Bewertung

Man muss diese Platte nur einmal hören, um eine ziemlich genaue Vorstellung vom Inhalt des Plattenschranks zu bekommen, den Sarah, ähm, Greenbird bei sich zu Hause (wo auf dem Klingelschild bestimmt noch immer „Sarah Nücken“ steht) ihr Eigen nennt. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gibt es darin das eine oder andere Album von Jewel (deren Stimme hat den Gesang von Sarah offensichtlich enorm geprägt), vielleicht auch eine CD der Corrs (deren akustische Putzigkeit machen sich auch Mrs Greenbird zueigen) und definitiv das Gesamtwerk von Alanis Morissette. Deren Lieblingsthema, die weibliche Unabhängigkeit, wird auch hier gerne propagiert.

Nicht nur deshalb bekommt Madame Morissette im Booklet eine Erwähnung in der Rubrik „Danke an“. Die Kanadierin hat auch mit Sarah auf der Bühne gestanden und Ironic gesungen – im TV-Studio von X-Factor, der Show, die Mrs Greenbird hervorgebracht hat. Das Duo, das neben Sarah Nücken noch aus Steffen Brückner besteht, gibt allerdings einen eher ungewöhnlichen Castingshow-Act ab. Beide spielen Instrumente, beide schreiben Songs und beide machen den Eindruck, dass es ihnen wirklich um Musik geht, nicht nur um Rampenlicht. „Der sicherste Weg, authentisch wahrgenommen zu werden, ist, einfach authentisch zu sein“, sagt Steffen Brückner bezeichnenderweise.

Das Ergebnis ist eine sehr heitere Platte, die viel Charme und gute Momente hat, jedoch auch einige Probleme. Das größte dabei sind die Texte. Die Zeilen, die Sarah Nücken singt, sind so banal, als hätte man eine 14-Jährige gezwungen, an einem Nachmittag möglichst romantische Schüttelreime in ihr Hausaufgabenheft zu malen, ohne dabei ein Wörterbuch benutzen zu dürfen. Ein Beispiel? „Last week at home / I felt so all alone / everything seemed so grey / all my hopes were fading away / it was raining the whole day long / I didn’t feel as strong anymore / as before“, heißt es in Box Of Colors, und dass das ein bisschen weniger nach Mist klingt, wenn es schön gesungen wird, hilft da auch nicht viel. Noch ein Beispiel? „Today you bought me my favourite pink chair / now I am so in love with it and I think I always will / your chicken soup makes me healthy when I feel sick / for me you would even watch „Titanic““, beginnt It’s Always You, das vorletzte Lied der Platte. Leider muss man erwähnen: Wer glaubt, dass es danach nicht mehr schlimmer werden kann, liegt falsch. Den Abschluss auf Mrs Greenbird macht eine Coverversion von Radioheads Creep, die das Original einem Meuchelmord unterzieht.

Man muss allerdings, und jetzt sind wir auf der Habenseite dieser Platte angekommen, auch anmerken: Es gibt noch eine zweite Coverversion auf diesem Album, und die ist durch und durch gelungen. Der Ramones-Feger Blitzkrieg Bop klingt hier auf einmal, als hätte ihn ursprünglich June Carter gesungen, das ist überraschend und überzeugend.

Es ist allerdings der einzige Moment auf Mrs Greenbird, der einem „Wow“ nahe kommt. Der Rest ist nett, okay, solide. Der Opener Come By, eines von sechs Stücken, das Sarah Nücken ganz alleine geschrieben hat, gefällt. Gitarre, Gesang und Percussions sind das Fundament, Heiterkeit ist die wichtigste Zutat – man kann sicher sein, dass sie in den Momenten, in denen sie nicht singt, ein strahlendes Lächeln im Gesicht hat.

Diese Atmosphäre durchströmt auch das Country-angehauchte Love Makes You Free, das niedliche One Little Heart mit Besenschlagzeug, das hübsche After All und Shooting Stars And Fairy Tales. „In dem Song geht es um einen Stern, der vom Himmel direkt in mein Herz fällt und alles Schlechte, was ich jemals erlebt habe, wegsprengt, damit ich einfach nur noch Liebe spüre, mit der ich an Steffen denke“, verrät Sarah, und darin liegt der Schlüssel zum Funktionieren dieses Songs: Es ist kein besonders originelles Liebeslied, aber eines, das voll und ganz von seiner Verliebtheit überzeugt ist. Ohne den Castingshow-Rückenwind werden es Mrs Greenbird wohl schwer haben, weiterhin aufhorchen zu lassen. Aber vielleicht hält ja wenigstens diese Verliebtheit ein bisschen länger.

Schon wieder ein Grinsen! Im Video von Shooting Stars And Fairy Tales:

httpv://www.youtube.com/watch?v=lCntCJ8CGOY

Homepage von Mrs Greenbird.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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