Künstler | Mudhoney | |
Album | Vanishing Point | |
Label | Sub Pop | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
Man kommt an diesem doppelten Jubiläum nicht vorbei: Mudhoney bestehen, ebenso wie ihre Plattenfirma Sub Pop, seit 25 Jahren. “Nirvana, Saint Etienne and Fleet Foxes are swell, but no other group has consistently kicked as much ass as Mudhoney, nor has anyone come close. Through two and a half decades, sarcastic grins remain implanted on their grizzled faces, even as empty bottles and the sneakers of a stage-diver fly inches from their heads”, meint Matt Korvette, als Sänger von Pissed Jeans ebenfalls bestens mit Rabaukentum und dem Leben im Sub-Pop-Universum vertraut, angesichts dieses Jahrestages.
Er meint auch: Mudhoney rocken noch immer wie Bolle, und das stimmt. Es ist beinahe ein Wunder, wie hemmunglos, energisch und authentisch das Quartett aus Seattle auf Vanishing Point loslegt. Das erste, was man hört, ist ein Schlagzeugsolo, dann wird Slipping Away um Bass und Gitarre angereichert, bevor schließlich die unnachahmliche Stimme von Sänger Mark Arm hinzukommt. Dass er sagenhaft schief singt, macht die zentrale Zeile „I feel you slipping away“ dreimal so eindrucksvoll und fünfmal so schmerzhaft.
Das gewollt Unfertige findet man natürlich auch auf anderen Stellen von Vanishing Point (an erster Stelle ist da In The Rubber Tomb zu nennen), ebenso wie die Kunst, Monotonie im höchsten Maße effektiv einzusetzen (der Refrain von I Don’t Remember You) oder die aufrechte Abscheu vor der Welt, verpackt in 231 Sekunden (der Rausschmeißer Douchebags On Parade, dessen Songtitel eigentlich schon alles sagt).
Dazu kommen eine Weisheit und Gewitztheit, die man wohl wirklich erst mit seinem neunten Studioalbum erreichen kann. What To Do With The Neutral beispielsweise ist äußerst durchtrieben, nicht nur musikalisch. „Embrace the positive / reject the negative“, nölt Mark Arm da wie ein Motivationscoach, der den Glauben an seine eigene Lehre verloren hat. Als er kurz vor Ende des Albums dann zu einer Musik, die man sich auch von Neil Young vorstellen könnte, “I sing this song of joy / for all the girls and boys“ singt, muss darauf natürlich noch ein fieses „dancing on your grave“ folgen.
Am meisten beeindruckt auf Vanishing Point aber die schiere Power, die noch immer in Mudhoney steckt – egal, ob sie gerade in Richtung Garagenrock, Psychedelik oder Psycho-Blues tendieren. „I hate you, Chardonnay“, rechnen sie in Chardonnay mit billigem Rotwein (oder der eigenen Unfähigkeit, sich auf verträgliche Mengen davon zu beschränken) ab, als brachialer Punk inklusive angedeuteter Würggeräusche. Auch das wilde The Only Son Of The Widow From Nain könnte man gut mit dem Attribut “Auskotzen” charakterisieren, “Wutanfall” oder “Rachefeldzug” wären ebenfalls passend.
Das beste Lied ist I Like It Small. Es vereint die Einfachheit und Aggressivität der Sex Pistols mit einer Dramatik und Theatralik, wie man sie vom frühen Alice Cooper kennt. Mark Arm preist darin die kleinen Clubs, die kleinen Freuden und die kleinen Erfolge. Und wenn am Ende ein Chor einstimmt und alle zusammen „I like it small“ schmettern, dann wird daraus eine Hymne der Verweigerung – und ein Höhepunkt, selbst in einer 25-jährigen Bandgeschichte.
Mudhoney spielen Chardonnay live in Seattle.
httpv://www.youtube.com/watch?v=EmH_6GkKsr0