Künstler | Muso | |
Album | Amarena | |
Label | Believe | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Alles war angerichtet. Mit dem Vorgänger Stracciatella Now hätte Muso vor drei Jahren groß durchstarten können. Das Team im Hintergrund stimmte (Konstantin Gropper und Markus Ganter als Produzenten, die Plattenfirma von Cro), die Erwartungshaltung (wohl auch die eigene) war groß, auch ein passendes Image war schnell gefunden: Daniel Giovanni Musumecim, so sein bürgerlicher Name, wurde als der „Anti-Cro“ (3sat) vermarktet.
Allerdings wurde es dann nichts mit dem ganz großen Erfolg. Jetzt ist Muso, der in Heidelberg lebt, mit seinem dritten Album zurück, mit anderen Produzenten (LO und Gianni Brezzo) und anderer Plattenfirma. Was gleich geblieben ist: Muso ist nach wie vor anders.
Für eine Rap-Platte ist Amarena erstaunlich nachdenklich. Der einzige, der auf dicke Hose macht, ist Ali As in seinem Gastauftritt in Ultimatum. Der Rest ist geprägt von Introspektion, von der Ahnung, dass etwas nicht stimmt mit der Welt und mit dem eigenen Leben, und zwar in einem Ausmaß, dass es sich auch mit einem Joint, einer Party oder einer Packung Ritalin nicht beseitigen lässt.
Man kann das für erfreulich halten, sogar angemessen finden für einen Rapper, der fast 30 ist. Das Problem: Gerade die vermeintliche Ernsthaftigkeit wird (neben der Tatsache, dass etliche Tracks musikalisch zu sehr nach Schema F funktionieren) zur Schwäche von Amarena. Muso artikuliert eine unbestimmte Unzufriedenheit, die man bei einem 16-Jährigen noch okay finden könnte. Aber statt klar zu machen, was er eigentlich will und wie seine Idee von einem vernünftigen Leben aussieht, stellt er immer wieder bloß da, was er nicht mag: Alltag, Routine, Arbeit, Stress, Verantwortung. Mit anderen Worten: Erwachsensein.
Im schlimmsten Fall kommt dabei ein Lied heraus wie Kopf oder Zahl, in dem eine einzige, halbwegs brauchbare Idee (es geht um Fallschirmspringen als Metapher für Loyalität) unendlich ausgewälzt wird. Im besten Fall entsteht ein Song wie 0815, der stärkste Track auf Amarena, vor allem wegen des lautmalerischen Effekts, den Antonia Rug mit ihrer wunderbaren Stimme erzeugt.
Das größte Manko ist allerdings: Es gibt durchaus ein paar gute Ideen, aber keinerlei Konsistenz. Die Methode von Muso ist weitgehend assoziativ: Ihm fällt ein Wort ein, ein Gedanke, und der wird dann geäußert und verfolgt, bis zum nächsten Einfall. Der Inhalt seiner Tracks wird vom Reim getrieben, nicht umgekehrt, und im Ergebnis hat die achte Zeile eines Songs fast nie noch etwas mit der ersten Zeile zu tun.
„Meine Musik ist nicht wie Fernseher schauen, es gibt keinen roten Faden. Die Zuhörer werden in verschiedene Welten transportiert“, umschreibt Muso diesen Effekt. Das soll wohl verdeutlichen, dass darin eben seine besondere künstlerische Herangehensweise steckt, sein persönlicher Stil. Doch zum einen erfordert Kunst nun einmal, dass man sein Material formt, verfeinert, durchdringt – und nicht einfach dem erstbesten Einfall folgt. Zum anderen ist es fast unmöglich zu erkennen, worum es in einem einzelnen Stück gehen soll, und das erschwert die Identifikation mit dieser Musik: Etliche Songs sind für ein paar Sekunden Liebes(kummer)lied, beschwören dann die eigene Herkunft, preisen die Freunde oder liefern ein wenig Gesellschaftskritik – am Ende wirkt das bloß wirr und beliebig.
Immerhin: Muso weiß um diese Eigenheit, in der er offensichtlich keine Schwäche erkennt. „Meine Aussage: vage / immer nur vielleicht“, rappt er in Kein zurück. „Meine Erziehung gescheitert / und gar keine Prüfung gemeistert“, heißt es in Regen. „Meine besten Gedanken / um die Ecke / aber nie zu Ende“, bekennt er in Acid Trips auf Esspapier. Auf Dauer wirkt gerade diese Selbsterkenntnis allerdings schlimm: Eine Schwäche zu erkennen und sie zu einer Stärke oder wenigstens einem Markenzeichen umzuinterpretieren, ist bequem, dumm und pubertär. Und auch nicht hilfreich beim Versuch, diesmal vielleicht wirklich durchzustarten.
Man trägt Schwarz im Video zu Two Steps Further.
https://www.youtube.com/watch?v=JcwAN9RQXRE