Künstler | Oasis | |
EP | Stop The Clocks | |
Label | Big Brother Recordings | |
Erscheinungsjahr | 2006 | |
Bewertung |
Man muss diese Namensgebung nicht verstehen. Die Stop The Clocks EP von Oasis sollte 2006 (ergänzt durch zwei neu gedrehte Videos) Lust auf das gleichnamige Best-Of-Album machen. Der Song Stop The Clocks ist allerdings gar nicht enthalten. Er wurde von Oasis zwar erstmals 2004 aufgenommen, dann aber nie veröffentlicht – zur Enttäuschung vieler Fans auch nicht auf dieser EP. Erst fünf Jahre später hat er das Licht der Welt erblickt – auf Noel Gallaghers erstem Soloalbum.
Für Oasis-Komplettisten bieten die vier Tracks der Stop The Clocks EP trotzdem zwei Fundstücke mit dem wertvollen Attribut „previously unreleased“. Zunächst gibt es die Demo-Version der 1994er-Single Cigarettes And Alcohol. Sie hat weniger Punch und Swagger als die spätere Studio-Aufnahme, überrascht am Ende aber mit Bongos (!) und zu Beginn mit der Tatsache, dass Liam Gallagher hier in der ersten Zeile tatsächlich noch „Is it my imagination“ singt – und nicht das später legendäre „imaginashhhheeeeannnn“.
Ebenfalls aus dem Archiv geholt wurde eine Live-Version von Some Might Say, aufgenommen 1995 an unbekanntem Ort. Oasis klingen auf diesem Mitschnitt wirklich unbezwingbar, unwiderstehlich – und unzertrennlich. Die Version zeigt besser als die spätere Single-Variante (der erste Nummer-1-Hit für Oasis im UK), wie funky der Bass und wie mächtig das Schlagzeug in Some Might Say ist. Liam Gallaghers Stimme überschlägt sich fast bei den höchsten Tönen des Refrains, aber das klingt nicht nach Überforderung, sondern wie ein erster Tribut an all die Triumphe, die es bis dahin gab – und alle, die noch kommen sollten.
Dazu bietet die Stop The Clocks EP ein von Peter Blake designtes Cover (ja, das ist der Mann, der auch die Plattenhülle für Sgt. Pepper gestaltet hat) und ein Booklet, in dem sich kleine Bildchen der Oasis-Mitglieder aus den verschiedenen Besetzungen finden, erstaunlicherweise ist auch der verhasste Ex-Trommler Tony McCarroll dabei.
Am Beginn der EP steht Acquiesce, ein Lied mit einer ähnlich verworrenen Geschichte wie Stop The Clocks. Als Noel Gallagher das Stück schrieb, wollte Oasis-Plattenboss Alan McGee es als Single herausbringen. Noel packte den Song aber stattdessen als B-Seite auf die Single von Some Might Say (1995). Drei Jahre später war Acquiesce dann der Lead Track für die B-Seiten-Sammlung The Masterplan – unter anderem, weil es sich als absoluter Liebling der Fans erwiesen hatte.
Kein Wunder: Acquiesce ist nicht nur ein überzeugender Bluesrock, sondern das erste Lied von Oasis, auf dem sowohl Liam Gallagher als auch Noel mit prominenten Gesangsparts vertreten sind (insgesamt sollten im gesamten Oeuvre von Oasis später nur drei Songs folgen, auf die das ebenfalls zutrifft). Die Brüder singen nicht wirklich zusammen, aber es klingt, als würden sie sich die Bälle zuspielen, den Staffelstab weitergeben, und zwar freiwillig, mit einem Lächeln. „Because we need each other / we believe in one another / and I know we’re gonna uncover / what’s sleeping in our soul”, lautet passend dazu der von Noel gesungene Refrain. So viel Wille zum Zusammenhalt war wohl nie zuvor und nie danach in einem Oasis-Song – und dass man die Zeilen nicht nur auf die turbulente Beziehung der Gallagher-Brüder beziehen konnte, sondern auch auf das Verhältnis zwischen Oasis und ihren Fans, schmälert diesen Effekt keineswegs.
Schlusspunkt der EP ist das nach wie vor umwerfende The Masterplan, erstmals veröffentlicht als B-Seite von Wonderwall. Es ist ein Klassiker und Glanzstück im Oasis-Repertoire, und die Band fährt hier alles auf, was im Jahr 1995 typisch für sie war: ein Orchester, Rückwärts-Gitarren, das obligatorische Tamburin. The Masterplan ist die perfekte Symbiose aus Größe und Größenwahn. Ganz viel Stolz steckt darin, aber auch eine erstaunliche Verletzlichkeit. Zudem hat das Lied eine der schönsten Oasis-Melodien überhaupt, originell und erhaben. The Masterplan ist nichts weniger als einer der besten Songs der 90er Jahre – Oasis konnten es sich erlauben, daraus eine B-Seite zu machen.