Künstler | Papercuts |
Album | Life Among The Savages |
Label | Memphis Industries |
Erscheinungsjahr | 2014 |
Bewertung |
“Sometimes I feel lost in the wilderness”, singt Jason Quever alias Papercuts im Afterlife Blues kurz vor dem Ende dieses Albums, zu einem wunderhübschen Westcoastsound mit tollem Refrain. Man kann ihm dieses Bekenntnis kaum glauben. Im Gegenteil: Man muss davon ausgehen, dass er sich eher in der Zivilisation verloren fühlt. Dafür spricht erstens, dass er an anderen Stellen seines famosen fünften Albums Life Among The Savages gerne Tiere, Pflanzen und Natur besingt. Und zweitens, dass er einen solch zerbrechlichen Eindruck macht, als sei er einfach viel zu empfindlich für das echte Leben, egal ob im Trubel seiner Heimatstadt San Francisco oder anderswo.
Dass er beim Blick auf das Leben lieber eine gewisse Vorsicht bewahrt, ist nicht allzu verwunderlich: Er verlor früh beide Eltern und wuchs dann in einer Kommune auf. Als “a personal history that reads like something from Kerouac or Steinbeck”, hat Mojo seinen Lebensweg beschrieben. Auch Quever selbst attestiert sich einen Hang zur Schüchternheit: “I don’t want to hit people over the head. That’s just not who I am. I don’t necessarily like to be the centre of attention”, sagt er.
Es ist dieser Mix aus Bescheidenheit und Melancholie, der Life Among The Savages ausmacht. Wenn die ersten Worte im Rausschmeißer Tourist „It’s such a lovely day“ lauten, dann singt er sie so, dass man ihm erneut kaum glauben mag, jedenfalls deutlich weniger als später in diesem Lied beim Geständnis: „I can’t find my way home.“ Mehr noch als allgegenwärtiges Understatement und offen ausgelebte Sensibilität ist es aber der Kontrast dieser beiden Elemente mit der schieren Meisterschaft, der dieses Album so faszinierend macht.
Life Among The Savages ist ein Fest für Freunde des klassischen Songwritings, das allem Plakativ-Euphorischen skeptisch begegnet, aber Pop-Wurzeln und den Willen zur Innovation hat, wie es sie etwa bei Electric Soft Parade oder Get Well Soon gibt. “I like to write short stories, at least have the story in my mind and allude to it…from dystopian short stories to a utopian take on things, being outside looking in, alienation, search for bliss, the chaos of relationships, insanity, suicide…”, beschreibt Quever seinen Ansatz.
Staring At The Bright Lights klingt, als sei Thom Yorke endlich mal glücklich verliebt. „It’s simple“ lautet das Mantra des Lieds, dazu kommt ein wunderbarer Sixties-Effekt beim Gitarrensolo. So wie Family Portrait hätten vielleicht The Velvet Underground geklungen, wenn sie aus Hawaii kämen statt aus New York. Der Titelsong ist filigran und erhaben, zugleich brüchig und majestätisch, wieder mit einem wunderschönen Refrain – ein Lied wie eine Sommerwiese.
Die Streicher darin hat Alex Scally von Beach House arrangiert, mit denen Quever seinerseits gerne zusammenarbeitet. Auch Port O’Brien, The Skygreen Leopards oder Galaxy 500 finden sich schon in der Kollaborationsliste von Papercuts. Das musikalische Feingefühl, das in diesem Album steckt, und die großartige Produktion werden sicher dafür sorgen, dass noch etliche Hochkaräter dazu kommen. Dass Life Among The Savages im Heimstudio von Jason Quever auf einem 16-Spur-Bandgerät aufgenommen wurde (ergänzende Aufnahmen fanden in einem Haus am Strand von Bolinas und in den Hangar-Studios von Sacramento statt), ist einerseits passend für den organischen, familiären Klang der Platte, andererseits überraschend, weil viele Tracks nach richtig großem Budget klingen.
Der Opener Still Knocking At The Door zum Beispiel hat ebenfalls aufwendige Streicher zu bieten und besticht zudem mit Quevers herrlich warmer Stimme irgendwo zwischen Evan Dando (Lemonheads) und Chris Collingwood (Fountains Of Wayne). Der Text lässt gleich ein Mellow Yellow Yellow Submarine vom Stapel, im Refrain stecken aber genug Leidenschaft und Empörung, um die Entspanntheit des Songs nicht in die Nähe von Langeweile rücken zu lassen.
Diese subtilen Spannungsbögen finden sich auch anderswo: In New Body will das Schlagzeug anscheinend die ganze Zeit losrocken und der Beschaulichkeit ein Ende setzen, auch Psychic Friends, das die Verzweiflung besingt, die der Advent mit sich bringen kann, steuert auf eine Eruption zu, die dann nicht kommt. Easter Morning ist zart, beinahe schläfrig, lässt das Klavier ein bisschen weiter in den Vordergrund und gönnt sich ein ausgiebiges Lalala-Schwelgen. Auch hier legt das Schlagzeug am Ende, bedroht von der Konkurrenz eines Tamburins, eine Schippe drauf – und auch hier kann man am Ende des Lieds nur bezaubert sein. Das Leben unter Barbaren wird jedenfalls eindeutig erträglicher, wenn man weiß, dass es darin gut versteckte Ecken mit magischer Musik wie der von Papercuts gibt.
Äußerst beschaulich geht es auch im Video zu Life Among The Savages zu.
httpv://www.youtube.com/watch?v=crSuyLhyl4s