Künstler | Parov Stelar | |
Album | The Demon Diaries | |
Label | Etage Noire Recordings | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Wenn man, wie jetzt gerade, wieder einmal einen Eurovision Song Contest hinter sich gebracht hat, dann fallen ein paar Sachen auf: 1. Dass es irgendwo im Ostblock tatsächlich noch immer Fernsehansagerinnen gibt, die so aussehen wie die Karikaturen von „hiiah iss Deutsches Wälle Polen“ bei Switch. 2. Dass Peter Urban so gut und hinterfotzig ist, dass er ab sofort bitte auch die Bundestagsdebatten kommentieren sollte. 3. Dass sich so eine mittelprächtig unterhaltsame Show elend lang hinziehen kann.
Wer vor allem mit Punkt 3 ein Problem hat, kann leicht Abhilfe schaffen: The Demon Diaries, das sechste Studio-Album von Parov Stelar, ist so etwas wie eine Kompaktversion des ESC. Es gibt ein paar pseudo-traditionelle Sounds (Hit Me Like A Drum könnte man sich gut in der Kulisse eines griechischen Fischerdorfs vorstellen), ein paar tolle Stimmen (Keep This Fire Burning, der Höhepunkt der Platte, ist schmissiger Soul im Stile von Aloe Blacc) und den Versuch, ein paar Trends in massentaugliche Songs hineinzuschummeln (Walk Away, setzt mit Gastsängerin Anna F. auf Lana-Del-Rey-Atmosphäre und ein winziges bisschen Dubstep).
Mit The Sun (ft. Graham Candy) gibt es einen sehr guten Popsong, wie er aufs aktuelle Album des Go! Teams gepasst hätte, und man kann sich gut ein niedliches Energiebündel vorstellen, das dazu über die ESC-Bühne wuselt. Golden Arrow (mit Lilja Bloom) könnte als Trostpflaster für alle funktionieren, die noch immer der Ära der Spice Girls und Sugababes nachtrauern.
Erstaunlich ist dabei nur der Titel: Dämonisch geht es auf The Demon Diaries in keiner Weise zu. Auch von „Einzigartigkeit“, „Getriebenheit des Künstlers“ und gar einer „dunklen Seite“ (alles Begriffe aus dem Presse-Info zu dieser Platte) findet sich keine Spur (ein bisschen was davon gibt es vielleicht auf der Deluxe-Version von The Demon Diaries, die zwölf weitere Tracks mit mehr live aufgenommenen Bestandteilen und einem organischeren Sound bieten soll). Was Parov Stelar hier macht, ist – auch das ist typisch ESC – Gebrauchsmusik.
The Sea (mit Harald Baumgartner) ist Fließbandware, einschmeichelnd, aber schamlos Radio-optimiert. I Need L.O.V.E. ist so effektiv und beliebig wie die Tracks der Disco Boys. Mit Hooked On You (feat. Timothy Auld) will Parov Stelar offensichtlich Jamiroquai wieder zum Leben erwecken, und dass diese Idee anachronistisch ist, scheint er selbst zu wissen, denn sicherheitshalber baut er noch eine Rap-Einlage in das Lied ein. Außerdem muss der längst zu Tode gecoverte Jazz-Klassiker Summertime hier auch noch eine Interpretation als Sonnenuntergangs-House (mit Maya Bensalem) über sich ergehen lassen.
Natürlich gibt es auch die Sounds, die Parov Stelar bekannt gemacht haben: Der Österreicher (bürgerlich: Marcus Füreder) ist einer der Vorreiter des Electroswing. Die Idee, alte Jazz-, Ragtime- und Soul-Samples mit neuen Beats zu versehen, hat ihm 250.000 verkaufte Alben (The Demon Diaries erreichte gerade Platz 1 in Österreich und auch in Deutschland und der Schweiz die Top 10), Auftritte auf großen Festivalbühnen und Kooperationen mit Lady Gaga und Bryan Ferry eingebracht.
Auch hier pflegt er natürlich dieses Markenzeichen, im instrumentalen The Green Frog oder im Titelsong gleich zu Beginn des Albums. Das ist zwar keinerlei Weiterentwicklung zu dem, was zwei Holländer (erinnert sich noch jemand an Doop?) schon vor 20 Jahren in die Charts gebracht haben. Gefragt ist es aber trotzdem, wie nicht nur der aktuelle Gatsby-Trend beweist, sondern auch der UK-Beitrag namens Electro Velvet beim Eurovision in Wien, der ebenfalls diesen Sound bediente.
Es gibt auf The Demon Diaries durchaus (wenn auch nicht immer) originelle Ideen und durchaus (wenn auch nicht immer) geschmackssichere Songs. Es gibt allerdings auch sehr schlechte Texte (wie im Goldfrapp-artigen Six Feet Underground, in dem der Gesang sehr schön ist, aber nicht schön genug, um vom blödsinnigen Text abzulenken) und in der zweiten Hälfte des Albums einen sehr deutlichen Spannungsabfall. Parov Stelar liefert hier meist Pop auf Fernsehgarten-Niveau, zu der man gut bauchfrei tanzende Jungs zeigen kann, an denen sich dann ältere Damen ergötzen können, ohne sich allzu sehr von der Musik ablenken lassen zu müssen.
Da stellt sich nicht so sehr die Frage nach der Daseinsberechtigung, aber zumindest die Frage nach der Notwendigkeit. Immerhin: Nichts auf The Demon Diaries ist so schlecht wie Heroes, der Siegersong des ESC aus Wien.