Künstler | Passenger | |
Album | Young As The Morning, Old As The Sea | |
Label | Cooking Vinyl | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Schon sein achtes Album legt Mike Rosenberg alias Passenger mit Young As The Morning, Old As The Sea vor, das übermorgen erscheinen wird. Noch nie hat sein Künstlername so gut zu dem Engländer gepasst wie diesmal: Das Reisen ist das zentrale Thema der Platte.
Die Texte sind auf Island entstanden, die Aufnahmen fanden in Neuseeland (in den Roundhead Studios in Auckland, die Neil Finn von Crowded House gehören) und Australien statt. In den Texten wird ein noch größerer Teil des Erdballs abgedeckt. Die Sonne Kaliforniens besingt Passenger im sommerlich-tanzbaren Anywhere, von einer Rundreise durch Südamerika träumt er im hübschen When We Were Young. Wien und Berlin bekommen in The Long Road ihre Rolle. Im Titelsong Young As The Morning, Old As The Sea wird gleich ein halber Kontinent besungen: Norwegen, Schweden, Finnland, die Ostsee, Russland, Polen, Ungarn, Schottland, Irland, Spanien und Italien werden erwähnt.
Auch wenn es nicht explizit um ferne Orte geht, ist das Reisen doch immer wieder unterschwellig ein Thema, etwa in Zeilen wie „Sail into the blue“ (Somebody’s Love). Selbst wenn ein Song den Titel Home bekommt (Mike Rosenberg lebt übrigens in Brighton) lockt darin die Ferne: „So many winding roads / so many roads to go.“
Es ist ein Thema, das sehr gut zu Passenger passt und dem gemeinsam mit Chris Vallejo (INXS, Empire Of The Sun) produzierten Album einen sehr einheitlichen, geschlossenen Sound verleiht. Dazu trägt auch die Begleitband bei, die übrigens dieselbe ist, mit der auch Angus und Julia Stone unterwegs sind: Ben Edgar (Gitarre), Rob Clader (Bass), Peter Marin (Schlagzeug) und Jon Solo (Keyboards). „Chris und ich waren uns einig, dass wir beim neuen Album einen Schritt weiter gehen. Wir holten einige großartige Musiker hinzu, die ich kennengelernt und mit denen ich bereits auf Festivals gespielt hatte. Wir verstanden uns richtig gut“, erzählt Passenger. „Zum ersten Mal haben wir auch so etwas wie eine Vorproduktion gemacht. Wir trafen uns für eine Woche in Sydney, ungefähr einen Monat vor den Albumaufnahmen. Das bedeutete, dass die Jungs sich mit den Songs vertraut machen konnten und wir uns besser kennenlernten. Der eigentliche Aufnahmeprozess war dann ganz entspannt.“
Manchmal bekommen seine Lieder tatsächlich gerade durch die Virtuosität der Musiker ihre Spannung, gelegentlich wirken die Songs aber auch überfrachtet oder zu sehr auf Handwerk bedacht. Everything ist so ein Fall von seichtem Schönklang. Wenn George Ezra oder Ed Sheeran (mit dem Passenger schon auf Tour war) nur noch Schnulzen mit Streichern machen würden, käme wohl so etwas heraus. Auch das leichtgewichtige If You Go passt in diese Kategorie: harmlose Musik für Hausfrauen und 11-jährige Mädchen. Die werden auch Beautiful Birds sehr mögen, das Duett von Passenger mit Birdy. Ihre Stimmen klingen sehr angenehm zusammen, aber man braucht beträchtliche Kitsch-Resistenz, um das wirklich genießen zu können.
Dass die Gleichung „schön = blöd“ auf Young As The Morning, Old As The Sea aber nicht aufgeht, beweist Passenger in jedem Fall. Die Texte sind mindestens okay, und oft kommt genau dann, wenn die Musik zu sehr in Richtung Schmalz oder Formatradio abdriftet, die richtige Dosis an Herzblut zum Vorschein. Clever an dieser Platte ist auch, wie sehr sie den Welthit Let Her Go (2012) ignoriert. Für dieses Stück wurde Passenger mit dem Ivor-Novello-Award ausgezeichnet, nebenbei gab es noch über eine Milliarde YouTube-Aufrufe für das Lied, das zudem in 20 Ländern zum Spitzenreiter der Charts wurde. „Es ist schon sehr erstaunlich, zu Lebzeiten einen Song geschrieben zu haben, der so groß geworden ist“, sagt der 32-Jährige nun. Seine Reaktion war aber ziemlich ungewöhnlich: Nicht den Ruhm genießen, nicht das Eisen schmieden solange es heiß ist, sondern so schnell wie möglich mit neuen Liedern weitermachen.
Young As The Morning, Old As The Sea ist schon das dritte Album seit dem unverhofften Hit für den Mann, der lange genug als Straßenmusiker und in erfolglosen Projekten unterwegs war, um so einen Erfolg schätzen zu wissen. „Ich habe in den letzten zehn Jahren so gut wie jedes Jahr ein Album gemacht und da sorgt man sich schon, dass man nicht lange genug bei bestimmten Sachen bleibt“, räumt er immerhin ein. „Klar, die aktuelle Platte ist vielleicht immer meine liebste, aber ich habe ehrlich zum ersten Mal das Gefühl, dass ich mit einer neuen Platte vor die Leute treten kann, ohne zu meinen, mich entschuldigen zu müssen. Ich bin wirklich stolz auf das Album“, sagt Passenger.
In den besten Momenten ist Passenger hier ganz bei sich und nimmt sich im richtigen Moment zurück. Fool’s Gold macht das sehr deutlich, das die vielleicht schönste Melodie des Albums zu bieten hat und gut ins Spätwerk von Rod Stewart passen würde. Gerade, wenn diese Platte etwas weniger Instrumente bietet und dafür mehr Intensität, rückt Passenger eher in die Nähe des wunderbar subtilen Charlie Cunningham als des penetrant anbiedernden Newton Faulkner. Von der Hoffnung (oder gar dem krampfhaften Versuch), an solche Breitenwirkung wie mit Let Her Go anzuknüpfen, ist auf der neuen Platte erfreulich wenig zu bemerken.