Pavo Pavo – „Young Narrator In The Breakers“

Künstler Pavo Pavo

Pavo Pavo Young Narrator In The Breakers Kritik Rezension
„Young Narrator In The Breakers“ ist das Werk von fünf Musikstudenten.
Album Young Narrator In The Breakers
Label Bella Union
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

“We’re trying to look and sound like pop from the future, but made by people from the 70s”, sagt Oliver Hill über Pavo Pavo. Das Quintett aus Brooklyn bringt beste Voraussetzungen dafür mit: Eliza Bagg (Geige, Synthies, Gesang), Nolan Green (Gitarre, Gesang), Austin Vaughn (Schlagzeug), Ian Romer (Bass) und Hill selbst (Gitarre, Synthies, Gesang) tragen gerne Mode, die wie nicht ganz zu Ende geschneiderte Kostüme aus Star Trek aussehen, und noch lieber tragen sie Schnauzbärte.

Sie haben sich beim Musikstudium in New York kennen gelernt und beispielsweise schon mit Here We Go Magic, John Zorn, Dirty Projectors und Porches zusammengearbeitet. Was sie auf dem morgen erscheinenden Debütalbum Young Narrator In The Breakers zu bieten haben, wurde von Stereogum als “weightless pop music that sounds like it was beamed down from a glimmering utopian future” gelobt. Kommt also ziemlich nah an die Zielsetzung von Pavo Pavo heran.

Fleet Foxes, die Flaming Lips oder Grizzly Bear sind häufig genannte (und zutreffende) Referenzpunkte. Die zwölf Stücke auf Young Narrator In The Breakers sind abstrakt, vielschichtig, komplex und durchzogen von einer wehmütigen Grundstimmung, die auch der Albumtitel aufgreift: Er bezieht sich auf riesige Wellen, die links und rechts über einem zusammenstürzen, und auf die Phase zwischen Heranwachsen und Erwachsensein, die sich oft genug genau so anfühlen kann.

Der Titeltrack zeigt das auch ganz ohne Text: Young Narrator In The Breakers ist 62 Sekunden akustisches Unwohlsein. Das zweite Instrumental des Albums, A Quiet Time With Spaceman Sputz, klingt wie ein Science-Fiction-Track aus dem Jahr 1948. Manchmal kann man an den Virgin Suicides-Soundtrack von Air denken, etwa in Wiserway. „The main elements are a bass line and an autoharp, so there’s an ocean of space between them. It’s meant to resemble a tornado in that way – destructive when its close-up and so peaceful from a distance”, hat Oliver Hill bei Stereogum erklärt. Wenn es etwas zupackender wird wie in No Mind, fühlt man sich an die Beta Band erinnert, zudem merkt man hier (und in etlichen anderen Songs) erst am Ende, wenn der Rest der Spuren langsam ausgeblendet wird, wie prägend die Gitarre für diesen Track ist.

Diese Methode prägt die Platte: Pavo Pavo arbeiten mit viel analogem Instrumentarium, aber mit einer klar digitalen Denke bei der Komposition. Ran Ran Run, der Auftakt des Albums, ist zuerst verschlafen, dann schwungvoll. Oliver Hill singt darüber, wie schön es wäre, wieder einmal zu tanzen, aber das ist nicht so sehr ein unstillbares Bedürfnis als vielmehr ein nostalgischer Traum. Annie Hall, benannt nach der Titelfigur eines Films von Woody Allen, hat viele Charakteristika der Beach Boys zur Smile-Phase: Das Lied ist zugleich schön und schräg, klassisch und eigen. Kein Wunder, dass der Guardian attestiert hat, Pavo Pavo machten “pop music that makes them sound like Brian Wilson running amok in the BBC radiophonic workshop”.

An vielen anderen Stellen strahlt die Musik auf Young Narrator In The Breakers allerdings auch eine große Wärme aus. Somewhere In Iowa wird wunderhübsch, filigran und magisch, The Aquarium bezaubert durch den Gesang von Eliza Bagg, die darin die Lead-Stimme übernimmt. Harmonies, Bläser und Orgel verpassen Belle Of The Ball seine Majestät. Ruby (Let’s Buy The Bike) demonstriert einen Willen zur Schönheit, wie man das von Belle And Sebastian kennt, aber ohne deren Klassizismus. Bei John (A Little Time) lassen nicht nur die drei Wörter in der Klammer plötzlich an The Beautiful South denken.

Hinter diesem romantischen, seligen und durchaus optimistischen Sound steckt auch das Gemeinschaftsgefühl der Band, sagt Oliver Hill im Gespräch mit dem Guardian. „Some bands focus on the bedroom genius narrative, but we’re trying to subvert that and write songs that are stories telling collective narratives that have to do with the many personalities in the band. They’re really about our friendships with each other, which is unusual for pop songs. They’re love letters to each other.”

Vielleicht am besten macht der Schlusspunkt der Platte dies deutlich. 2020, We’ll Have Nothing Going On scheint zugleich Utopie und Dystopie sein zu wollen, vereint Wärme und Schönheit mit Brüchen, Misstrauen und dem Wissen, dass die Zukunft bestimmt nicht wie die Vergangenheit sein wird – selbst, wenn man das ganz fest wünschen sollte.

Im Video zu Ran Ran Run leben Pavo Pavo in ihrer eigenen Zeitlupen-Welt.

Pavo Pavo bei Facebook.

 

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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