Hingehört: PET – „Imitation Of Life“

Weniger Beep und noch mehr Liebe zum Detail prägen das dritte PET-Album.
Weniger Beep und noch mehr Liebe zum Detail prägen das dritte PET-Album.
Künstler PET
Album Imitation Of Life
Label Neun Volt Records
Erscheinungsjahr 2013
Bewertung

Verdammt, fast acht Jahre! So lange haben PET für ihr drittes Album gebraucht. Das ist lange genug, um die Vorschusslorbeeren nach Player One Ready (2004) und Rewind The Sofa Lady (2006) dreimal verwelken zu lassen. Der Rückenwind, den es für die Berliner Band danach vor allem aus England gegeben hatte (John Peel und Zane Lowe haben PET liebend gerne im Radio gespielt, Fink hat ihren Song Cloud Nine (Get Your Share) gecovert, 2raumwohnung sind ebenfalls große Fans und gaben bei PET einen Remix in Auftrag) reicht mittlerweile nicht mal mehr aus, um das kleinste Segel ein bisschen zu blähen.

Was hat nur so lange gedauert bei der Arbeit an Imitation Of Life? Ein paar Thesen sind nahe liegend: Die Mitglieder von PET waren nach Rewind The Sofa Lady in einem Alter, in dem man gerne Familien gründet oder sich um kleine Kinder kümmert. Sie waren wohl auch an einem Punkt in ihrem Leben, an dem man erkennt, dass es mit dem Rockstar-Dasein vielleicht doch nichts mehr wird und man der Beschäftigung, die bis dahin bloß die Bezeichnung „zweites Standbein“ hatte, doch ein bisschen mehr Aufmerksamkeit widmet. Und sie sind begeisterte Netzwerker, die das Musikerleben in Berlin problemlos mit dem Spinnen neuer Bande und Entwickeln neuer Ideen verbringen (und genießen) können und dabei die Zeit aus dem Auge verlieren.

All das trifft womöglich zu, der wichtigste Grund für die lange Wartezeit ist allerdings: Andre Abshagen, gemeinsam mit Monika Martin der Gründer von PET, hat jetzt sein eigenes Studio und seine eigene Plattenfirma. Und da kann man sich eben ein bisschen mehr Zeit lassen und in aller Ruhe auch an den letzten Details feilen. „Mit Studio und Label haben wir das für uns ideale Umfeld geschaffen, um unabhängig und ohne Druck arbeiten zu können. Das dauert dann zwar länger und geht auf eigenes Risiko, gibt uns aber auch alle Freiheiten”, sagt Abshagen.

Das Tüfteln hat sich gelohnt. Imitation Of Life ist eine sehr gelungene Platte geworden, energisch, kurzweilig und hintergründig. Never Been Here Before lässt die Punk-Gene von PET erkennen, auch Miss Brown hat eine angenehme No-Bullshit-Mentalität, gipfelnd in der Zeile „This is all this is about.“ Mit coolem Bass und Laid-Back-Atmosphäre bekommt Everytime I Turn My Head eine famose Selbstverständlichkeit und wird eines der Lieder, die PET einst Lobpreis wie „fresh, grown up pop with a twist“ (Q) eingebracht haben. Blondie und XTC sind wichtige Bezugspunkte, gelegentlich klingen (auch wegen der mitunter etwas arg germanischen Texte) auch Low 500 oder Liquido an. Am Ende des Albums steht der Titelsong, eine Beschwörung der Kraft des Weitermachens, in dem auch ein faszinierendes Leiern und Dröhnen à la Oily Water von Blur nicht verbergen können, dass dahinter ein sehr guter Popsong steckt.

„Wir haben diesmal mehr akustische Elemente eingebaut, ohne dabei die PET-typischen Synths und E-Gitarren zu vergessen. Obwohl die Arrangements komplex sind, klingt das Ergebnis einfach und leicht“, schildert Frontmann Andre Abshagen, der den Großteil der Songs schreibt, den Charakter von Imitation Of Life. So ist am Beginn des schön überdrehten Plain Vanilla ein Klavier zu hören, das zärtlich-nostalgische Kiss Me darf eine akustische Gitarre eröffnen, auch Grey wird von einer akustischen Gitarre getragen, nicht betrübt, aber grüblerisch.

Die verschiedenen Mitstreiter rund um das Duo Abshagen-Martin haben bei PET schon Tradition und tragen erneut viel zur Abwechslung und zur Spannungskurve des Albums bei. Diesmal sind Dodo NKishi (Schlagzeug und Gesang, außerdem bei Mouse On Mars), Stefania Vacca (Bass), Eric Voss (Percussions & Drums, ehemals Le Hammond Inferno) und Neuzugang Julie Miess (Bass & Keyboards, ehemals Britta) dabei. Alles klingt rund und inspiriert, den Kollektivgedanken hört man den Stücken durchaus an.

Drei Songs ragen heraus: Der Opener Thinking Of You thematisiert unter anderem die Besessenheit, die mit dem Verliebtsein einhergehen kann, und klingt entsprechend aggressiv, bratzig, unheimlich und betörend. Die Single Talk To You entwickelt dank der Magie der Kuhglocke reichlich ansteckenden Übermut. Und dann gibt es noch eine Coverversion: Die Ballade I Won’t Hurt You klingt hier zauberhaft und reduziert und schräg wie das früher auch Throw That Beat In The Garbagecan hinbekommen haben. Im Original ist das Lied, aufgenommen 1966, von der West Coast Pop Art Experimental Band. Imitation Of Life belegt: Man kann das „West Coast“ durch „Berlin“ ersetzen, und hat dann auch für PET eine sehr passende Bezeichnung.

Glamour, Unschuld und eine Kuhglocke prägen auch das Video zu Talk To You:

httpv://www.youtube.com/watch?v=7uieKn0EngE

Homepage von PET.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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