Künstler | Philip Selway | |
Album | Weatherhouse | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Wenn Schlagzeuger plötzlich Lieder schreiben, muss nicht immer Kololores (Bela B) oder Mist (Tommy Lee) herauskommen. Philip Selway, im Hauptberuf als Trommler bei Radiohead im Einsatz, trittt dafür mit seinem zweiten Album Weatherhouse einen ziemlich eindrucksvollen Beweis an. Die Platte, größtenteils im Radiohead-eigenen Studio in Oxfordshire entstanden, zeigt ihn als kreativen Komponisten mit einem guten Händchen für geheimnisvolle Atmosphären und elegante Melodien.
Im Vergleich zum eher akustisch geprägten Debütalbum Familial (2010) klingt Weatherhouse häufig orchestral, opulent, teuer, aber niemals in einem angeberischen Sinne. Das ist, neben dem Einsatz eines Streicherquartetts, vor allem dem Input von Adem Ilhan und Quinta zu verdanken, die früher die Backing Band fürs Solowerk von Philip Selway darstellten und nun so etwas wie vollwertige Mitstreiter sind. “From the outset, we wanted the album to be the three of us, and we covered a lot of instruments between us. With a studio full of inspiring gear and a great-sounding desk, we felt like a band. Different musicians stretch you, and I felt stretched on Weatherhouse, but very enjoyably so”, sagt Selway.
Das von einem Xylophon geprägte Drawn To The Light ist ein gutes Beispiel für den Sound des Albums: mutig, komplex und sehr gelungen. Around Again beweist große rhythmische Raffinesse, wobei dem akustischen Bass sogar der prominentere Part zukommt. Waiting For A Sign wirkt wie im Halbschlaf, ohne deshalb langweilig zu sein. Miles Away baut auf eine todtraurige Orgel und einen stilechten Massive-Attack-Beat. Let It Go zeigt das Selbstvertrauen, das Selway mittlerweile in seinen Gesang hat.
Wie sehr seine Stimme gelegentlich wie Thom Yorke klingt, ist durchaus amüsant, auch sonst versucht Weatherhouse nicht, sich auf Teufel komm raus von Radiohead abzugrenzen, sondern lässt zu, dass man Verwandtschaften erkennt. Ghosts könnte mit seiner stolzen Verlorenheit und der mysteriösen akustischen Gitarre perfekt auf OK Computer passen. Auch der Schlusspunkt Turning It Inside Out hat eine vergleichbare DNA, und dazu genug Größe für einen lupenreinen Schmachtfetzen – allerdings verkneift sich der Track erfreulicherweise jegliches Pathos. Das Lied ist zudem so spannend und intensiv, dass man nach gut vier Minuten vielleicht gar nicht gemerkt hat, dass es – höchst ungewöhnlich auf der Platte eines Schlagzeugers – gar keinen Beat hat.
Die Klavierballade It Will End In Tears hat eine ähnliche Grandezza und illustriert gut die zentralen lyrischen Motive des Albums. „We could spend a lifetime in the weatherhouse“, lautet eine der zentralen Zeilen des Lieds. Der Wunsch nach Weltflucht klingt auch an anderen Stellen der Platte immer wieder an, ebenso wie der Wille zu Zweisamkeit und der Hinweis auf die Bedeutung von Entscheidungen. “It’s very much about taking stock of my life. I wanted to convey a sense of release and affirmation”, sagt Selway zu den Themen seiner Texte.
Im elektronisch geprägten Opener Coming Up For Air singt er immer wieder „I’m not alone“, als wolle er sich Mut zusprechen. “Don’t go now / stay closely with me”, lautet der Appell in Don’t Go Now; die vergleichsweise stoische Gitarre scheint dabei den Zusammenhalt zu beschwören, während die Streicher bereits die Trauer der kommenden Trennung an den Horizont malen.
All das macht Weatherhouse zu einem beeindruckenden Album von zurückhaltender Schönheit. Wer Radiohead dafür liebte, dass ihre Musik spannend, stimmungsvoll und speziell war, ist mit dieser Platte jedenfalls viel besser bedient als mit dem gesamten Output von Selways Band nach OK Computer.