Künstler | Philipp Poisel | |
DVD | Projekt Seerosenteich, Live im Circus Krone | |
Label | Grönland | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
Die Versuchung ist durchaus groß, ein paar Parallelen zwischen der Musik von Philipp Poisel und seiner Frisur zu ziehen. Beides ist verwuschelt, dicht, deutet auf einen schmusigen Charakter hin, bietet einen fein ausziselierten Mix aus Durcheinander und wohlgeordneter Strategie. Beides ist vielleicht sogar so etwas wie ein Schutz vor der Welt, den der in diesen Tagen gerade 30 Jahre alt gewordene Poisel um sich gelegt hat und aus dem er nie so ganz heraustritt.
Schaut man sich seine neue DVD Projekt Seerosenteich – Live im Circus Krone an, kann man dafür die eine oder andere Bestätigung finden. Man kann aber auch auf die ganze Sache mit den Haaren pfeifen und das Werk von Philipp Poisel mit einem einzigen Wort auf den Punkt bringen: Aufrichtigkeit.
„Stiller, intimer, kleiner“, sollte dieser Abend werden, erzählt Poisel in der Dokumentation, die das gut zweistündige Konzert ergänzt. Er wollte „eine gewisse Nähe“ herstellen zu seinem Publikum. Das Mittel dazu ist eine aufwendige Show mit selbst gebautem Bühnenbild, viel Charme und noch mehr Liebe zum Detail. Die Lieder erklingen in einer Nebelnacht, am Lagerfeuer oder in einer Kinderzimmer-Raumstation, zwischendurch gibt es im Circus Krone Jonglage und Pantomime, einen Hofnarren und Ballett, Zaubertricks und eine Wilhelm-Tell-Nummer.
Was es nicht gibt: Ironie. „Auch wenn das Leben manchmal traurig ist, bin ich doch froh dabei zu sein“, singt Poisel in Froh, dabei zu sein (das auf der DVD während des Abspanns erklingt), und genau so einfach und überzeugend sind seine Botschaften. Poisel besingt die kleinen Freuden des Lebens, ganz ähnlich wie das einst PUR getan haben, aber ohne deren Anbiederung. Sein Gesang ist eine Kreuzung aus Herbert Grönemeyer und Max Mutzke. Seine Musik ist so etwas wie der kleinste gemeinsame Nenner, ohne dass sie dafür irgendetwas von ihrer Individualität aufgeben musste.
Nach den beiden Erfolgsalben Wo fängt dein Himmel an? (2008) und Bis nach Toulouse (2010) ist ihm in diesem Konzert anzumerken, wie stolz und gleichzeitig dankbar er ist. Nach den ersten beiden Liedern wagt er seine erste Ansage an die Fans, und er klingt völlig außer Atem (obwohl er erst beim übernächsten Lied erstmals von seinem Hocker aufstehen wird), er spricht so hastig, als würde er befürchten, irgendeine finstere Macht könnte ihm den Genuss dieses Abends im nächsten Moment wieder entreißen und er müsse sich möglichst beeilen, um ihn noch ein bisschen bewahren zu können.
Die Musik dazu ist ebenso handgemacht wie die Kulissen auf der Bühne. Schön, beschaulich, bedächtig – das sind die Merkmale von Projekt Seerosenteich, auch wenn beispielsweise Wo fängt dein Himmel an am Ende mächtig anschwillt, ein Gastauftritt von Matthias Schweighöfer (der ein paar Klaviertöne zu Eiserner Steg beiträgt) für Extase im Publikum sorgt oder Ich und Du so ausgelassen wird, dass auch die Musik nach Zirkus klingt.
Das Konzert lebt von seiner Intensität, viele der Songs von Poisel werden mit Streicherquartett und in den Live-Arrangements noch besser. „Am Ende des Abends werden eure Herzen höher schlagen“, verspricht ein Ansager/Zirkusdirektor am Beginn des Konzerts, und er behält natürlich Recht: Ganz am Schluss, bei Als gäb’s kein Morgen mehr, stehen alle Zuschauer auf, singen mit und tanzen. Philipp Poisel flippt völlig aus, hüpft glückselig umher und wagt gar eine Breakdance-Einlage. Schließlich kommt ein riesiger Teddybear auf die Bühne und lässt zum krönenden Abschluss ein paar Luftballons aufsteigen. Es ist ein rührend schöner Moment echter Freude.
Philipp Poisel spielt Ich will nur live:
httpv://www.youtube.com/watch?v=M-ncq2eHF_k