Pictures – „Promise“

Künstler Pictures

Pictures Promise Albumcover Rezension Kritik
Pictures gingen aus den Resten von Union Youth hervor – mit Verzögerung.
Album Promise
Label Virgin
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

Ein Film kommt normalerweise am Ende einer Musikkarriere. Wenn die Band wichtig genug war, darf sie auf eine Dokumentation hoffen, gerne werden dann ein paar Wegbegleiter befragt, Live-Mitschnitte gezeigt und nicht selten auch die Schlussfolgerung gezogen: Schön war’s, schade drum.

Bei Pictures ist es andersrum. Der Film Die Könige der Welt wird 2017 Premiere feiern und begleitet den Entstehungsprozess des Quartetts aus Berlin. Das liegt freilich daran, dass dieser Beginn kein wirklicher Gründungsmoment ist, sondern eher ein Neustart. Denn Maze Exler (Gesang, Gitarre), Ole Fries (Gitarre), Michael Borwitzky (Schlagzeug) und Markus Krieg (Bass) sind keineswegs unbeschriebene Blätter in der deutschen Musikszene. Maze war vorher bei Jonas, danach ebenso wie Michael bei Union Youth aktiv, Ole machte damals den Job als ihr Tontechniker, der Kontakt zu Markus kam über den nimmermüden Blackmail-Kosmos zustande.

Vier Profis also, die durchaus ihre Meriten mitbringen, den ganz großen Wurf aber noch nicht geschafft haben. Fast zehn Jahre nach dem Ende vom Union Youth wollten sie als Pictures einen neuen Anlauf wagen, doch schnell stand ein kolossaler Stolperstein im Weg, wie im Film ausführlich dokumentiert ist: die Heroinabhängigkeit von Sänger Maze Exler.

Sie ist seit 2015 überwunden, sodass morgen das Debütalbum Promise erscheinen kann. Dass die Zeitalter schon einmal verrücken können und ein langer Anlauf nötig war, hört man der Platte auf sehr angenehme Weise an: Promise spielt in seiner eigenen Ära, und besonders für Britpop-Liebhaber dürfte sich dieser Ansatz als maximaler Spaß erweisen.

Der Refrain von Down Under The Hill, dem ersten Song, an dem Pictures gemeinsam arbeiteten, würde die Stereophonics sehr glücklich machen. Emily ist die Art von Ballade, wie sie Jet einst gemacht haben, Wouldn’t It Be Great würde perfekt ins Oeuvre von Embrace passen, Kula Shaker hätten 1998 getötet, um noch einmal so einen Refrain wie den von Love zu finden.

Wer jetzt denkt „zweite Liga“, liegt falsch. Promise ist ein fast makelloses Album, das vor allem als Gesamtwerk beeindruckt. Der einzige kleine Ausrutscher ist Not The Only One, das sich an jovialer Bar-Atmosphäre versucht, dabei aber ein paar Klischees zu viel bedient. Noch ein Manko: Es fehlt ein Hit – der Song, der aus vielen sehr guten Songs noch ein Stück herausragt. Dafür punkten Pictures mit exzellentem Songwriting und einer Prise Humor (etwa Anspielungen auf die Spice Girls oder Stranglers), der den Umstand gekonnt pulverisiert, dass diese Lieder so unmodern sind, dass sie auch vor 20 Jahren hätten erscheinen können.

Auf Trends haben Pictures ganz offensichtlich keinerlei Lust: Was zählt, ist der Song. Selbst ein Bandname erscheint da nebensächlich, sagt Maze Exler: „Wir hätten die Band auch, keine Ahnung, Apfelbaum nennen können. Der steht unbeeindruckt da und es wachsen Äpfel. Wem sie schmecken, der pflückt sie sich.“

Der Titelsong punktet mit originellem Beat, spannender Gitarrenarbeit und der Erkenntnis: “Everything is beautiful, I know.” Solche Zeilen gibt es immer wieder, denn Hoffnung, Lebensfreude, Optimismus und Zusammenhalt sind dominierenden Themen in den Texten. Da kommt noch was – das ist das verheißungsvolle Grundgefühl, und Promise ist deshalb genau der richtige Titel für das Album.

In Let The Music Shine wird die Lust auf Hymnen am klarsten erkennbar, die in Pictures steckt, in Here I Come ist die Strophe etwas kerniger und dreckiger als der Rest des Albums, der Refrain spielt mit Psychedelik. Zudem ist das ein Moment, der kraftvoll und plakativ wie etwa die Songs der Hives geraten, deren Mixer Pelle Gunnerfeldt sich Pictures für ihr Album ausgeliehen haben. Come On könnte, auch wegen des Titels, wie eine Karikatur klingen, aber der Song ist im richtigen Maße zurückgenommen, um nicht in diese Falle zu tappen. In Save My Heart wird Champagne Supernova zitiert, das Lied wird dann aber nicht getragen und bombastisch, sondern sehr schwungvoll und sogar tanzbar.

Fall ist sehr nah an sehr frühen Oasis, und das ist natürlich als Kompliment gemeint. See The Sun könnte man sich gut von Travis vorstellen, auch weil eine Portion Schwermut darin steckt, und das ist nicht als Beleidigung gemeint. Eine Beatles-selige Reprise ist schließlich genau das Ende, das man erwartet für dieses Album, aber dieser fehlende Überraschungseffekt stellt keine Enttäuschung dar, sondern einen kongenialen Schlusspunkt.

Man darf gespannt sein, was Pictures mit diesen Songs erreichen können, auch die Vorfreude auf Die Könige der Welt steigert dieses Klasse-Album in jedem Fall. Auch ohne den Film zu kennen, sieht das schon verdammt nach Happy End aus.

Auch nicht sehr modern, ohne dass es stört: das Video zu Promise.

Website von Pictures.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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