Künstler | Pink | |
Album | Beautiful Trauma | |
Label | Sony | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
In der ersten Liga der Popsängerinnen hat Pink immer eine besondere Rolle eingenommen. Wie etliche andere Stars hat sie seit ihrem Solodebüt Can’t Take Me Home (2000) reichlich Erfolge aneinander gereiht. In Worten bedeutet das: mehr als 42 Millionen verkaufte Alben, 75 Millionen verkaufte Singles, 2,4 Millionen verkaufte DVDs. Vier ihrer Songs haben die Spitze der US-Charts erreicht, dreimal hat sie den Grammy erhalten.
Aber anders als so viele ihrer Kolleginnen hat sich Pink nie komplett auf Material von der Stange verlassen. Die Songs der 38-Jährigen aus Doylestown, Pennsylvania, hatten stets vergleichsweise autobiographische Texte – und gerade die Einblicke in ihre Schwächen, Fehler und Defizite, die sie dabei gewährte, haben ihr Profil geschärft und ihren Erfolg mitbegründet. Lieder wie Just Like A Pill, Family Portrait oder So What beweisen das: Sie waren Hits, und zwar mit Inhalten von einer Intimität, wie man sie beispielsweise bei Beyoncé, Britney Spears oder Katy Perry niemals finden würde.
„Seit ich mit sechzehn meinen ersten Plattenvertrag unterschrieb, bin ich im Laufe der Jahre erwachsen geworden, nebenbei habe ich eben Alben veröffentlicht“, sagte Pink aus Anlass der Veröffentlichung ihrer Best-Of-Sammlung im Jahr 2010. „Jedes Album ist die Zusammenfassung eines Lebensabschnitts, doch ich habe mir nie vorgenommen, etwas Bestimmtes zu machen. Ich wachse mit meinem Publikum und die Dinge, die in mir und um mich herum stattfinden, sind mein Antrieb, weiter zu machen.“
Der Titel des heute erscheinenden Beautiful Trauma deutet an, dass sie dieses Prinzip weiterhin verfolgt. In der Tat gibt es auf ihrem siebten Studioalbum immer wieder den Hinweis: Ich bin eine Kämpferin, ein Stehaufmännchen, mich wirft so schnell nichts um.
Dieses Credo findet seine Entsprechung in einem meist sehr kraftvollen Sound, für den diesmal unter anderem Steve Mac, Johnny McDaid, Jack Antonoff, Julia Michaels, Greg Kurstin, Busbee und die alten Mitstreiter Max Martin und Shellback gesorgt haben. Das Problem von Beautiful Trauma ist, dass dieser Sound meist den Charakter der Songs erdrückt; auch die Texte sind diesmal recht beliebig. Dass Pink erstaunlich oft zeigen will, wie viel Power und Stimmumfang sie hat, statt auf Zwischentöne und subtile Phrasierung zu setzen, passt ins Bild: Die Platte ist viel zu oft Pink mit dem Vorschlaghammer.
Die Ballade But We Lost It verbreitet deshalb zu viel Selbstmitleid und zu wenig Stolz. Barbies ist zunächst akustisch und niedlich, will dann aber leider hymnisch und pompös werden, was nicht gelingt. Der Beat in Whatever You Want ist etwas zu monoton, auch rundherum passiert in diesem Track zu wenig. Die Single What About Us baut sehr clever Spannung auf, löst ihr Versprechen aber dann nicht ein. Im abschließenden You Get My Love soll exaltierter Gesang (= Geschrei) vom schwachem Song ablenken.
Angesichts von I Am Here protestiert sicherlich jemand im Hause Mumford sehr laut: „Wir wollen unseren Sound zurück!“ Auch Where We Go ahmt diesen pseudo-authentischen, pseudo-wuchtige Sound nach, was plump und berechenbar wirkt. Secrets könnte auch „Ich will unbedingt ein Sommerhit sein“ heißen und ist so hohl und berechnend, wie man das sonst nur von Lady Gaga kennt. Ausgerechnet in Wild Hearts Can’t Be Broken, wo Großspurigkeit geboten gewesen wäre, fehlt hingegen ein wenig mehr Leidenschaft im Gesang, um aus dem durchschnittlichen einen guten Song zu machen. Auch das üppige Orchesterarrangement, das sich nach dem minimalistischen Beginn entfaltet, hätte hier mehr Power in der Stimme nötig gemacht.
Bezeichnenderweise sind es gerade die etwas reduzierteren Momente von Beautiful Trauma, die gut gelingen. Better Life fußt auf einem unspektakulären und gerade deshalb guten Groove. For Now bringt in Erinnerung, dass Pink mal mit Steven Tyler gesungen und fast ein ganzes Album (Try This) mit Tim Armstrong von Rancid gemacht hat – in jedem Fall hat sie gut aufgepasst, wie man eine brauchbare Rockballade produziert.
Der Titelsong Beautiful Trauma wurde von Grammy-Preisträger Jack Antonoff geschrieben und produziert und verbietet sich ebenfalls sämtliche Modernismen. Stattdessen gibt es, ganz klassisch, einen wirkungsvollen Refrain, Streicher und Piano. Noch ein bisschen besser wird Revenge mit seinem sehr guten Groove und einem angesichts des Songtitels erstaunlich eleganten Refrain – gekrönt von Eminem, der hier mit einer Stimme rappt, wie man sie noch nie von ihm gehört hat, und der zugleich durch seinen Flow unverkennbar bleibt.
Diese Highlights reichen aber nicht aus, um das Album insgesamt auf die Siegerstraße zu führen, denn Pink scheint ein wesentliches Element ihres Appeals eingebüßt zu haben: Nichts wirkt auf Beutiful Trauma rebellisch, wenig wirkt authentisch und nie hat man – im Gegensatz zu einigen der besten Pink-Momente der Vergangenheit – den extrem spannenden und seltenen Eindruck, man habe es mit einer Künstlerin zu tun, die in jedem Moment aus schierer Impulsivität und sehenden Auges ihre Mega-Karriere an die Wand fahren könnte.
Die Diskrepanz zwischen Arroganz und Selbstzweifel war bei Pink, ähnlich wie bei Robbie Williams, immer ein prägendes Element ihres Stils. Ihr Selbstbewusstsein ist nicht angeboren, sondern hart erarbeitet, sie muss es in Form halten, trainieren, sich in ihren eigenen Liedern und mit ihren eigenen Erfolgen immer wieder selbst bestätigen. Auf ihrem ersten Studioalbum seit fünf Jahren ist von diesem Konflikt nichts mehr zu spüren, stattdessen macht sich Genügsamkeit breit. Beautiful Trauma wirkt, als habe Pink nichts mehr, wofür oder wogegen sie kämpfen will, und ist deshalb – trotz einiger guter Songs – ein etwas trauriger Schritt in Richtung Beliebigkeit.