Poliça – „United Crushers“

Künstler Poliça

United Crushers Polica Kritik Rezension
Eine ungewöhnlich lange Tourpause haben Polica für „United Crushers“ genutzt.
Album United Crushers
Label Memphis Industries
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Endlich bin ich in guter Gesellschaft. Fans von Channy Leaneagh, der Sängerin von Poliça, sind nicht allzu schwer zu finden. Die Flaming Lips nahmen einen Song mit ihr auf, ebenso wie Supreme Cuts. Auf dem letzten Album von Leftfield hatte sie sogar zwei Gastauftritte. Justin Vernon hat Poliça einmal als „die beste Band aller Zeiten“ bezeichnet und für Mojo bewies das letzte Album des 2011 gegründeten Duos aus Minneapolis, „dass intelligente Popmusik immer noch die Fähigkeit hat zu verführen und zu begeistern“.

Ich allerdings konnte mit der Musik von Channy Leaneagh und ihrem Bandkollegen (und mittlerweile Ehemann) Ryan Olson nichts anfangen. Bis jetzt. Mit ihrem am Freitag erscheinenden dritten Album United Crushers haben es Poliça endlich geschafft, Musik vorzulegen, die nicht nur interessant gemacht ist, sondern auch interessant zu hören.

Lieder wie Lately sind eine Liga besser als alles, was sie bisher gemacht haben. Die Komposition ist viel ausgereifter – und gerade deshalb kann sich der Song erlauben, im Sound ein wenig zurückgenommen zu sein. Vielleicht liegt das daran, dass die Band diesmal alle Stücke ausgearbeitet hat, bevor es ins Studio ging. Womöglich spielte auch eine Rolle, dass es etwas mehr Zeit für die Arbeit am Album gab, denn Poliça gönnten sich eine längere Tourpause, in der Channy Leaneagh unter anderem ihr zweites Kind zur Welt brachte.

Someway ist der Song, der davon handelt. „Eine Frau gewinnt erstaunliche Kräfte und neue Arten von Freiheiten, wenn sie schwanger ist und Mutter wird. Ich denke, eine Schwangerschaft ist mystisch und ich bin dankbar, dass ich das tun kann. Mit jedem großen Geschenk kommen aber auch große Opfer und in der Anfangsphase, in der ich meinen Körper dem Zweck der Geburt überließ, war ich besorgt darüber, was das mit meinen Beziehungen machen würde; zu meiner Tochter, zu meinem Mann, zu meiner Arbeit und zu mir selbst. Ich brauchte ich ein Lied, um das rauszulassen“, erklärt die 35-Jährige. Das Ergebnis ist vor allem rhythmisch extrem spannend, aber all die Breaks und Percussion-Wirbel sind, anders als auf früheren Werken, kein Selbstzweck, sondern dienen dem Song.

Man hört diesen Fokus auch in Tracks wie Wedding, das viel Kraft hat und dabei doch filigran bleibt, im aufgekratzten und eleganten Baby Sucks oder dem äußerst reifen, stimmungsvollen Album-Schlusspunkt Lose You. Auf einem vergleichsweise einfachen Bass- und Schlagzeug-Fundament beruht Berlin, das dazu ein sehr interessantes Dekor verpasst bekommt. In Lime Habit glänzt Leaneagh als Sängerin, der Song ruht sich aber nicht darauf aus, sondern bietet jede Menge Spekakel drumherum, wobei es besonders clever ist, dass dieses Spektakel in manchen Momenten auch betont unspektakulär daher kommt.

Als Schlüsselsong für United Crushers bezeichnen Poliça den Opener Summer Please. Das Lied beginnt mit Leaneaghs verfremdeter Stimme im Bariton, erst dann ist ihre eigentliche, viel höhere Singstimme zu hören. „Wenn man aufschaut, während man durch die Stadt fährt, kann man häufig den Schriftzug ‚United Crushers‘ an Brücken, Wassertürmen oder verlassenen Gebäuden aufgesprüht sehen. Der Schriftzug schaut auf die Stadt hinab und erinnert mich daran, wo wir wirklich sind und was wirklich hier passiert. Die Vereinigten Staaten der Zerstörten Träume“, sagt Leaneagh über ihre Heimatstadt Minneapolis. „Summer Please ist ein Appell an den Sommer und ebenso an die Zukunft. Den ganzen Winter über warten wir hier auf den ersten warmen Tag, um die Kinder zum Spielen nach draußen zu lassen. Doch der schöne blaue, sonnige Himmel bringt Angst mit sich, weil die Schießereien und Morde mit der Hitze und dem schönen Wetter zunehmen. Die Zukunft ist auch so, oder nicht? Man fragt ein Kind, was es werden will, wenn es groß ist, während man gleichzeitig Angst hat vor den Widrigkeiten, die vielleicht da draußen auf es warten. Ist es sicher, unsere Kinder da draußen spielen zu lassen, während Schüsse fliegen? Werden ihre Träume lebendig da rauskommen?“, erklärt die Sängerin die Idee dahinter.

Es ist diese Mischung aus Fantasie und Engagement, für die Poliça auf United Crushers endlich die passende musikalische Form gefunden haben. Und noch etwas zeichnet die neuen Stücke aus, das man bisher nur selten bei diesem Duo finden konnte: Wärme. Channy Leaneagh glaubt, das könne mit ihrer Vergangenheit als Folksängerin zu tun haben. „Wenn man alte Folk-Songs über traurige Dinge singt, macht das etwas mit dem Herzen, das es eigentlich erbaut“, sagt sie. „Ich glaube das auch von diesen Songs.“

Poliça spielen Wedding live.

Website von Poliça.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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