Künstler | Run The Jewels | |
Album | Run The Jewels | |
Label | Big Dada | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Als einen „Anwärter für das HipHop-Album des Jahres“ bezeichnet die Plattenfirma das Debüt von Run The Jewels. Das erscheint als eine ziemlich gewagte These angesichts eines Veröffentlichungstermins am 10. Januar. Gute Argumente dafür finden sich trotzdem.
Erstens ist da die Besetzung: Wenn Jaime „El-P“ Meline (unter anderem Gründer des einflussreichen Def Jux-Labels und vom Guardian charakterisiert als “virtually the living embodiment of alternative hip-hop”) und Mike „Killer Mike“ Render (eine Gallionsfigur des Outkast-Umfelds und der ganzen Atlanta-Szene) aufeinander treffen, kann wenig schief gehen. Die beiden haben das schon vorher gelegentlich unter Beweis gestellt, beispielsweise auf Killer Mikes 2012er Album R.A.P. Music, das von El-P produziert wurde.
Zweitens gibt es die Platte schon seit Juni (und nach wie vor) als Free Download. Das Werk hat also schon seine Meriten eingeheimst („Run The Jewels is a succession of throw-shit-out-a-window anthems“, hat Pitchfork beispielsweise gejubelt) und bewiesen, dass es eine ordentliche Halbwertszeit hat. Die Plattenfirma ist immerhin so überzeugt von dem Album, dass sie nicht nur das großspurige Zitat oben raushaut, sondern Run The Jewels jetzt auch noch mal ganz offiziell auf den Markt bringt. Um gegenüber dem Free Download einen Mehrwert zu bieten, gibt es dabei Extra-Remixes von Dave Sitek, DJ Qbert und Blue Sky Black Death, außerdem einen neuen Track. Und die beiden Musiker können offensichtlich auch nicht genug von dieser Zusammenarbeit bekommen: Sie sind schon wieder gemeinsam im Studio.
Diesen Spaß hört man auch der Platte an: El-P und Killer Mike necken sich, stacheln sich an und wechseln sich ab, ohne dass das jemals berechenbar wäre. Das alles geschieht ordnungsgemäß vulgär und aggressiv, aber auch mit einer guten Portion Augenzwinkern – vieles lässt an den Trash Talk denken, den man beim Basketball an seinen Gegner richtet, um ihn zu verunsichern und sich selbst ein bisschen größer zu machen.
Trotz dieser gelegentlichen ironischen Distanz könnte Run The Jewels von Clownerie kaum weiter entfernt sein. Die Themen sind durchaus ernst und ungewöhnlich für eine Rap-Platte. Es gibt keine Angeberei und wenig Dissen, Geld wird hier eher skeptisch beäugt als heiß ersehnt und wenn mal ein Macho auftaucht, der alle klassischen Pimp-Eigenschaften mitzubringen scheint, dann als Karikatur wie der imaginäre Chest Rockwell (verkörpert von Chris Paul), der in Twin Hype Back als schmieriger Casanova Zungenküsse, Samenspenden und Massagen verspricht, aber dabei vollkommen lächerlich wirkt.
Ein Thema, das man statt der üblichen Rap-Klischees hier häufig findet, ist das Brodeln am unteren Rand der Gesellschaft, inklusive der Drohung an die ganz oben. Run The Jewels ist eine David-gegen-Goliath-Platte, und sie wird dabei so wirkungsvoll, weil sie Intelligenz mit Können und einer guten, glaubwürdigen Portion Wut im Bauch vereint. Das langsame, aber dennoch bedrohliche 36“ Chain ist ein gutes Beispiel dafür. Auch Job Well Done (mit Unterstützung von Until The Ribbon Breaks) mit seinem mächtigen Beat passt in diese Reihe, auch wenn es dann im Refrain einen soften, beinahe resignierten Soulgesang von Pete Winfield gibt.
Überzeugend ist auch der Gastauftritt von Big Boi (Outkast) in Banana Clipper. „I move with the elegance / of an African elephant“, lautet die erste Zeile, und sie bringt gut das Zusammenspiel von Selbstvertrauen und Selbstironie auf den Punkt, das sich durch dieses Album zieht. Der Titeltrack beweist die musikalische Fantasie von Run The Jewels: Der ungewöhnliche Beat entsteht unter anderem durch ein Tamburin, dazu kommen eine Orgel, ein Trompetensolo und Bongos. Das clevere No Come Down hat im Refrain so etwas wie ein Jazz-Schlagzeug zu bieten, Sea Legs fährt ein elektronisches Backing auf und die Trias: „America – home of the eagle, home of the anger, home of the evil.“
Auch im abgefahrenen A Christmas Fucking Miracle (mit deutlichen Referenzen an Run DMCs Christmas In Hollis) bekommt die Heimat ihr Fett weg, dank der schönen Zeile (und Ice-Cube-Anspielung) „still spelling America with a triple K“. DDFH (damit ist gemeint: „do dope, fuck hope“) nimmt in puncto Feindbilder auch kein Blatt vor den Mund: „Cops in the ghetto / they move like the Gestapo“, beginnt der Track, mit klasse Beat, gutem Refrain und beeindruckender Vitalität.
Auch das ist typisch für diese Platte: Sie ist ein Guerilla-Angriff, aber trotzdem eingängig. Sie hat sich eindeutig Agitation zum Ziel gesetzt, macht aber trotzdem Spaß. Sehr fein.
A Christmas Fucking Miracle, original mit Weihnachtsbaum:
httpv://www.youtube.com/watch?v=OQ5rI461KNE