Künstler | Ryley Walker | |
Album | Primrose Green | |
Label | Dead Oceans | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Man packt Männer, die bevorzugt mit einer akustischen Gitarre ihre Lieder zum Besten geben, ja gerne automatisch in die Schublade „Singer-Songwriter“. Erst recht, wenn sie seit Jahren im Dienste ihrer Musik durchs Land ziehen, ohne Geld und unter ziemlich unwirtlichen Bedingungen, so wie Ryley Walker, der aus dem Norden von Illinois stammt, seit 2007 von Chicago aus seine Lieder in die Welt trägt, und nun sein zweites Album vorlegt.
Die Platte bietet die Sorte Folk, zu deren geistigen Ahnen Nick Drake, Bert Jansch und viel mehr noch Tim Buckley gehören. Hört man die Songs auf Primrose Green, kann man sich den 25-Jährigen kaum anders vorstellen als nachlässig gekleidet, langhaarig, tief über seine ramponierte Guild D-35-Gitarre gebeugt, mit geschlossenen Augen singend, vollkommen versunken in seine Musik. Genauso spielt er auch tatsächlich. Primrose Green zeigt bei genauerer Betrachtung allerdings: Ryley Walker ist keins von beiden, weder Singer noch Songwriter.
Fangen wir mit dem Singen an. Immer wieder hat man bei diesen zehn Liedern den Verdacht: Wenn Ryley Walker ganz auf Texte verzichten könnte, fände er das wahrscheinlich durchaus reizvoll. Same Minds beispielsweise zeigt, dass sein Gesang nicht so sehr davon lebt, was die Stimme zu leisten vermag, sondern davon, wie sehr das Gesungene gefühlt wird. Auch die verzweifelte Leidenschaft, die in Sweet Satisfaction in einer Aussage wie “I’d rather be dead than to see you cry” steckt, bringt er letztlich besser mit seinem rasanten Gitarrenpicking rüber als mit seinen Stimmbändern.
Wenn er in Love Can Be Cruel von der Stimme von Whitney Johnson begleitet wird (sie spielt zudem Viola in seiner siebenköpfigen Begleitband auf Primrose Hill), dann heißt er diese Unterstützung hörbar willkommen. Mit dem irisch angehauchten Griffiths Bucks Blues, das einem exzentrischen Künstler in Ryleys Heimatstadt Rockford, Illinois gewidmet ist, gibt es dann konsequenterweise auch ein Instrumentalstück auf diesem Album.
Und die Songs? Sind sehr schön, werden diesem Begriff aber andererseits kaum gerecht. Vieles ist improvisiert, mäandernd, traumwandlerisch auf dieser Platte. Der Titelsong ist mit seiner eigentümlichen Stimmung (vielleicht auch, weil die Gitarre eigentümlich gestimmt ist) ein gutes Beispiel dafür und wirkt, als bleibe er lieber immer in Bewegung als sich in eine feste Form pressen zu lassen. Die Nähe zum Jazz belegen nicht nur das virtuose Gitarrenspiel von Ryley Walker und die Instrumentierung beispielsweise mit Vibraphon, Cello und Kontrabass, sondern auch die Vorliebe für einen ungewöhnlichen Takt wie in Summer Dress.
Gelegentlich wird Riley Walker doch etwas konkreter, und das sind die Passagen von Primrose Green, die am besten in Erinnerung bleiben. On The Banks Of The Old Kishwaukee ist beinahe klassisch Americana, Hide In The Roses beeindruckt mit einem reduzierten Arrangement, das nur aus Gesang und Gitarre besteht. All Kinds Of You (so hieß auch die erste LP von Ryley Walker aus dem Jahr 2013, dieser Song entstand aber erst danach und bekam dann ebenfalls diesen Titel verpasst, weil er einfach so gut passte) ist ausnahmsweise von der elektrischen Gitarre geprägt. Und The High Road ist vielleicht der Schlüssel zum Reiz, der in dieser Platte steckt: Das Lied kann mit seinen Streichern, dem schwebenden Gesang und seiner entrückten Melancholie niemanden kalt lassen, der sich irgendwann einmal in die Musik von Nick Drake verliebt hat.
Ryley Walker spielt All Kinds Of You in Austin.
Demnächst gibt es Ryley Walker zweimal live in Deutschland:
12.04.2015, Rostock, JAZ
13.04.2015, Berlin, Monarch