Say Yes Dog – „Plastic Love“

Künstler Say Yes Dog

Cover des Albums Plastic Love von Say Yes Dog
Denelux ist die Herkunft von Say Yes Dog.
Album Plastic Love
Label Cargo
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Zuerst ging alles extrem schnell bei Say Yes Dog. Sänger Aaron Ahrends, Bassist Paul Rundel und Schlagzeuger Pascal Karier – Letzterer ein Luxemburger, die beiden anderen Deutsche – lernten sich während des Studiums in Den Haag kennen (Vorschlag zur Abkürzung dieser Herkunftskonstellation: Denelux) und wurden 2012 zu einer Band. Gleich ihr erster Song Get It brachte ihnen einen Slot beim Fusion-Festival ein – als völlig unbekannter Act. Die 2013 folgende EP A Friend wurde unisono gefeiert, danach spielte das Trio mehr als 100 Shows quer durch Europa. „Es ist schon krass, was nur mit diesen vier Songs von der EP alles passiert ist“, sagt Aaron Ahrends.

Danach ließen sich Say Yes Dog aber Zeit. Aufreizend viel Zeit, wenn man bedenkt, wie groß die Aufmerksamkeit war, die sie losgetreten hatten. „Klar hätten wir auch früher ein Album machen können, genug Songs hatten wir. Aber wir wollten ihnen Zeit zum Wachsen geben und bessere Songs schreiben. Ich bin froh, dass wir das getan haben, denn jetzt ist es eine runde Platte“, sagt Ahrends über das gerade erschienene Debütalbum Plastic Love. Und er hat verdammt recht.

Say Yes Dog haben auf unnachahmliche Weise verstanden: Tanzmusik kann viel mehr bedeuten als das Herbeiprügeln von Euphorie. Es gibt auf dieser Platte viele feine Beats und noch mehr großartige Melodien. Es gibt Songs wie das toll tanzbare Plastik, das mit der Feststellung „everything is plastic“ nicht die Oberflächlichkeit der Welt, sondern die Liebe zum Vinyl und dem darin möglicherweise eingeschriebenen Glück thematisiert. Es gibt Lieder wie das auch hier noch einmal enthaltene A Friend, die den Verdacht aufkommen lassen, Electroswing sei vielleicht doch keine komplett schlechte Idee gewesen. Es gibt den putzmunteren Bass in Stronger und die Selbstvergessenheit von (ausgerechnet) Focus.

Aber niemals werden die Songs auf Plastic Love eindimensional oder gar zwanghaft gut gelaunt. How bildet die Summe aus Human League und MGMT, Open Wide drängt Hot Chip eine Indie-Gitarre auf. Diese Einflüsse zeigen schon: Dies ist elektronische Musik, in der Schattierungen erlaubt sind. Im Hintergrund von Talk scheint die untröstliche Stimme von Damon Albarn zu erklingen, auch Hold Me ist zwar Tanzmusik, aber voller Melancholie und Romantik. Eine Party geben Say Yes Dog mit diesem Lied allenfalls für die Menschen mit gebrochenem Herzen. Oder noch lieber: Für die Menschen, die schon jetzt wissen, dass sie bald ein gebrochenes Herz haben werden.

Das Wort „experimentell“ ist für einen Song wie Before I Go vielleicht ein bisschen zu hoch gegriffen, aber das Lied zeigt: Es geht diesem Trio um spannende Musik, nicht um Dienstleistung für ein spaßiges Abendprogramm im Club. Und es geht, kein Wunder bei einer Band, die zwei Typen mit dem ursprünglichen Berufswunsch „Toningenieur“ in ihren Reihen hat, um die entscheidenden Sounddetails. „Wichtig ist uns, dass wir möglichst viele akustische Instrumente benutzen. Also echte Synthesizer anstelle von Computern und live eingespielte Drums anstelle von Samples. Die Soundästhetik ist einfach eine andere. Man hört das. Es fühlt sich lebendiger an“, sagt Bassist Paul Rundel.

Man darf gerne Könnerschaft darin erkennen, und Tracks wie das verführerische You Want My Love profitieren enorm davon. Noch besser ist Girlfriend, das zwar ein typisches Clubmusik-Thema hat (es geht um einen Flirt auf der Tanzfläche), dies aber um Welten besser umsetzt als 95 Prozent aller anderen Electro-Acts. „Won’t you be my girlfriend?“, lautet der Refrain – und allen Paaren, die tatsächlich bei einem so schönen Lied zueinander finden, ist die größte aller Lieben zu gönnen.

Der „boy on the run“ tanzt sich durchs Video von A Friend.

Homepage von Say Yes Dog.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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