Künstler*in | Schluck den Druck | |
Album | Rave ist Karate | |
Label | Im Rausch mit Freunden | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
„Gefördert durch die Initiative Musik Gemeinnützige Projektgesellschaft mbH mit Projektmitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Beschluss des Deutschen Bundestages“, steht ganz hinten auf dieser CD. Man darf sicher sein: So haben sich die Abgeordneten das bestimmt nicht vorgestellt. Als Ziel der Initiative Musik wird von offizieller Seite die „Förderung von Rock, Pop und Jazzmusik mit den Schwerpunkten Nachwuchs, Verbreitung Deutscher Musik im Ausland und Personen mit Migrationshintergrund“ genannt. Was nicht in der Liste des Programms auftaucht: brachiale Partysounds garniert mit purem Nihilismus.
Das ist ziemlich genau das, was Schluck den Druck mit ihrem heute erscheinenden zweiten Album Rave ist Karate abliefern. Die Berliner (die Initiative Musik nennt Florian Koerner, Alexander Krüger und Berus Temizbas als Mitglieder, davon ist aber mittlerweile offensichtlich einer abhanden gekommen) sind maximal plakativ und in jedem der zehn Tracks das Gegenteil von subtil. Die Methode heißt Dampfhammer, der natürliche Lebensraum von Schluck den Druck dürften Festivals und Campusfeste sein. „Wir sprechen folgendes Machtwort: Tanzen ist auch Sport“, lautet die passende Botschaft im sehr kurzweiligen Titelsong.
Das Riff von Schach zu dritt würde zu The Prodigy passen, der Sound zu Egotronic, der Text zu Deichkind. Damit sind die drei wichtigsten Bezugspunkte für dieses Album genannt. Tausch den Fokus ist eine gnadenlos effiziente Provokation, bestens geeignet um die Nachbarn zu ärgern. Der Text von Adrenalin gleicht einem Fiebertraum, die Musik dazu wirkt wie ein geistesgestörter Soundtrack zu einem Jump’N’Run-Spiel.
Freilich gibt es auf Rave ist Karate auch Abwechslung. Universum könnte ein Liebeslied sein, wenn der Sound nicht so bitterkalt und lebensfeindlich wäre wie ein Eisplanet. Der Schlusspunkt Einatmen Ausatmen (mit dem Songtitel ist auch schon der komplette Text des Lieds benannt) klingt, als würden Justice an einem Meditationsprogramm teilnehmen. Im Rausch mit Freunden (so hieß schon das Debütalbum von Schluck den Druck im Jahr 2010, auch ihre eigene Plattenfirma haben sie mittlerweile so benannt) integriert ein paar Balearen-Sounds und wird ein schöner Mix aus Euphorie und Entspanntheit.
Der beste Song ist die Single Schnick Schnack Schnuck, die davon handelt, wie leicht man im Alltag vom permanenten Druck erschlagen werden kann, Entscheidungen zu treffen. Darin beweisen Schluck den Druck die unter anderem von Fettes Brot bekannte Fähigkeit, auch in scheinbaren Banalitäten passendes Material für Songs zu erkennen – und sie mit einer guten Dosis Dadaismus zu versehen.
Auch dieser Vergleich zeigt, dass es bei dieser Musik auf die richtigen Slogans ankommt, aber auch auf das nötige Maß an Augenzwinkern und die Fähigkeit, musikalisch bei aller Zielgerichtetheit (das Ziel heißt dabei stets: Party-Ekstase) nicht unterkomplex zu werden. Schluck den Druck kriegen das meist hin, wahren die nötige ironische Distanz und halten sich stets eine Hintertür offen. Identifikationsangebote platzen hier nach ein paar Sekunden wie Seifenblasen (passend dazu gibt es im Booklet keinerlei Text, sondern nur ziemlich geschmacklose Bilder). Was das Album am meisten prägt, ist die Verweigerung von Inhalten, die mit irgendetwas in der Nähe eines Bekenntnisses verwechselt werden könnten.
Dass so viel Anti-Haltung mit Steuergeldern gefördert wird, ist natürlich mindestens amüsant. Immerhin auf eine Idee werden die Leute von der Initiative Musik stolz sein: Schluck den Druck haben Rave ist Karate komplett visualisiert, wofür sie mit acht verschiedenen Video-Künstlern zusammengearbeitet haben. Wenigstens das klingt ein bisschen nach offiziell vorzeigbaren Kreativ-Strebern.
Nackte Männer machen Dada: Das Video zu Schnick Schnack Schnuck.
Homepage von Schluck den Druck.