Hingehört: Simon Kirke – „All Because Of You“

Künstler Simon Kirke

Simon Kirke All Because Of You Kritik Rezension
Simon Kirke spielt auf seinem Soloalbum gleich vier Instrumente.
Album All Because Of You
Label BMG
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

67 Jahre alt ist Simon Kirke. Man sieht es ihm nicht an auf dem Cover von All Because Of You, auch nicht auf den Bildern, die seine Website schmücken (und ihn live auf der Bühne zeigen, schockierenderweise in kurzen Hosen). Man hört es auf diesem Album aber in jedem Moment: Der Mann, der einst das Schlagzeug bei Free und Bad Company gespielt hat, ist ein Musiker aus einer anderen Zeit.

Alles auf seinem heute erscheinenden Solowerk ist so gefällig, wie man das im Rentenalter womöglich mag, jeder Song feiert längst vergessene Werte wie technisches Können und stilistische Vielfalt. Die Frage, warum Simon Kirke diese altmodische Platte gemacht hat, bleibt allerdings offen. Der Name seiner Begleitband, mit der er die Songs in Chicago eingespielt hat (The Empty Pockets) ist hoffentlich kein Indiz, aber Inhalte, Muse, Leidenschaft oder irgendeine andere denkbare treibende Kraft für das Entstehen dieser Songs sucht man vergebens.

Schon eher hat man es hier wohl mit einem klassischen Fall von Schlagzeuger-Minderwertigkeitskomplex zu tun: Der Mann will selbst nach vorne ins Scheinwerferlicht, vor allem will er beweisen, dass er auch komponieren und zudem neben den Drums auch Gitarre, Keyboard und Ukulele spielen kann, was er auf All Because Of You denn auch tut. “I finally got a chance to record some of my best songs with a superb band – The Empty Pockets. This CD has become one of the highlights of my career”, lautet seine Selbsteinschätzung, die diesen Verdacht zu bekräftigen scheint.

In den schlimmsten Momenten kommt dabei etwas heraus wie Melting On Madison: Nicht nur wegen des Saxofons klingt der Song wie die ultimative Fahrstuhlmusik. Es gibt auch Peinlichkeiten wie Trouble Road: Simon Kirke gibt darin wieder den harten Kerl, Outlaw und Vagabund, auch wenn das in diesem Song so wenig wie in etlichen anderen zu seiner sämigen Stimme passt; auch die Unterstützung von Warren Haynes (Ex-Allman Brothers, Gov’t Mule) hilft da nichts. Die Musik im akustischen Album-Schlusspunkt Stay With Me ist nicht ohne gute Einfälle, aber der Text ist derart überfrachtet mit Klischees und Standard-Reimen, dass es einer Beleidigung des Hörers gleichkommt und zudem der Gestus von Spontaneität und Ursprünglichkeit konterkariert wird, den der Song offensichtlich anstrebt.

Allenfalls in die Kategorie „mittelprächtig“ fallen Songs wie Maria, ein harmloses Liebeslied mit kitschigen Streichern, oder der Titelsong: All Because Of You klingt arg anämisch, entwickelt aber womöglich einen gewissen Reiz in einer Bar, wenn das erste (schon nicht mehr ganz junge und schon nicht mehr ganz nüchterne) Paar sich auf die Tanzfläche wagt. Albert Hammond (wohlgemerkt: der Senior) oder Billy Joel stehen Pate, wenn Simon Kirke in Into The Light die große Geste probt und dabei auch einen Gospelchor erklingen lässt. Wind And The Rain feiert die Nostalgie und eine gelassene Zufriedenheit – und damit eine Perspektive, die das gesamte Album prägt.

Feel Like Making Love erweist sich als eine Ukulelen-Version des gleichnamigen Songs von Bad Company aus dem Jahr 1975, auch damit wird sich der Ex-Drummer der Hardrock-Helden nicht viele Freunde machen. Die Strophe bietet eine Spur von Reggae, im Refrain wird der Sound etwas härter. Der Text ist allerdings auch hier so seicht, dass ihn schon Keith Richards singen müsste, um das Lied nicht völlig banal klingen zu lassen, oder eben Paul Rodgers, der diesen Part einst bei Bad Company inne hatte.

Es gibt viel schlechten Geschmack auf All Because Of You (die kurzen Hosen auf den Website-Fotos kommen eben nicht von ungefähr), aber auch Lichtblicke, die zwar nicht gleißend hell sind, aber immerhin etwas Charme haben. Warm Gulf Water ist eine nette Geschichte über den Traum, dem Trott und Alltag für immer zu entfliehen. Friends In The Woods erweist sich als ein putziges Stück über all die tierischen Freunde im Wald, das fast Kinderlied-Charakter bekommt. Und mit Lie With You liefert Simon Kirke sogar einen richtig schönen Schmachtfetzen. Da gelingt es mal, dass die Ästhetik des Songs nicht gestrig wirkt, sondern klassisch und zeitlos.

Simon Kirke spricht über sein neues Album.

Website von Simon Kirke.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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