Künstler | Slaughter Beach, Dog | |
Album | Birdie | |
Label | Big Scary Monsters | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Vom Therapieprojekt zur Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. So könnte man, sehr stark zugespitzt, den Charakter von Slaughter Beach, Dog zusammenfassen. Das Projekt begann, als Jake Ewald (Modern Baseball) keine Lust mehr hatte, über seine persönlichen Probleme zu schreiben und sie dann mit seiner immer erfolgreicher werdenden Band auch noch jeden Abend live darzubieten. Er hatte den einleuchtenden Verdacht, das sei nicht allzu hilfreich für seine geistige Gesundheit. Also erfand er die Stadt Slaughter Beach und diverse Charaktere, aus deren Perspektive er dann auf dem ersten Album des Soloprojekts (Welcome kam Ende 2016 heraus) erzählte.
Heute erscheint mit Birdie bereits ein Nachfolger. Der Hintergrund ist diesmal aber ein anderer: Modern Baseball nehmen sich eine Auszeit auf unbestimmte Zeit, weil das Quartett aus Philadelphia immer stärker unter dem Leben als Band litt. Jake Ewald hat also genug Zeit, mit seinen Gedanken wieder nach Slaughter Beach zu reisen und uns allerlei Geschichten von dort zu berichten. Er tut das erneut sehr überzeugend. „He’s at his best when writing ecocative observations of life in miniature“, hat Stereogum sehr richtig erkannt. Eine zusätzliche Stärke von Birdie ist die melodiöse Qualität der Songs, die hier ohne den Emo-Sound von Modern Baseball noch besser zur Geltung kommt.
Mit dem akustischen Phoenix beginnt Birdie sehr schüchtern und wehmütig, zugleich nimmt Ewald als Erzähler sofort die Außenseiter-Perspektive ein, die ihm so gut steht. Auch Bad Beer zeigt das, es handelt vom Leben auf Tour und wird sehr cool, gerade weil er das Uncoolsein besingt. Das sehr hübsche Shapes I Know zeigt seine Fähigkeiten als Storyteller, Buttercup mit etwas Countryrock-Flair und großartiger Traurigkeit ist einer der Songs, der dafür sorgt, dass sich die Musik von Slaughter Beach, Dog nie wie Theater oder eine kompositorische Fingerübung anfühlt.
Vieles ist grundsolide wie Sleepwalking, aber viel besser als die Durchschnittsware, die man mit diesem Begriff assoziiert. Fish Fry klingt entspannt, aber nicht kraftlos, Pretty O.K. lässt am klarsten nachvollziehen, warum Ewald etwa Wilco, die Weakerthans oder Pedro The Lion zu seinen wichtigsten Einflüssen zählt, auch die Lemonheads könnte man hier ergänzen.
Zu den Höhepunkten zählt die putzige Single Gold And Green, ebenso wie der Album-Schlusspunkt Acolyte, der wie eine Seite aus dem Lehrbuch des großen amerikanischen Songwritings wirkt, nicht nur wegen Zeilen wie diesen: “Man, it cuts like a dull knife / when you’re young and you’re told / ‘It makes sense when you’re older’ / Darling let’s get old.” Im vergleichsweise experimentellen Friend Song behauptet der Erzähler kurz davor: „I usually don’t care who says what on the internet.“ Wenn es um die Kritiken für seine Songs geht, muss sich Jake Ewald da auch bei Birdie keine Sorgen machen.