Hingehört: Söhne Mannheims – „ElyZion“

Xavier Naidoo ist auf "ElyZion" nur noch hinter den Kulissen beteiligt.
Xavier Naidoo ist auf „ElyZion“ nur noch hinter den Kulissen beteiligt.
Künstler Söhne Mannheims
Album ElyZion
Label Söhne Mannheims GmbH
Erscheinungsjahr 2014
Bewertung

Die Sache mit dem Koch, dem Koch, dem Koch, den anderen Köchen und dem Brei nimmt bekanntlich selten ein gutes Ende. 13 Söhne Mannheims – erstmals ist Xavier Naidoo nicht dabei – posieren auf einer Doppelseite im Booklet von ElyZion in so etwas wie einer Wüstenlandschaft, durch die Wolken werden sie von einem quasi-göttlichen Licht bestrahlt. Drei von ihnen tragen erkennbar dieselben Nike-Turnschuhe, fünf tragen eine Kopfbedeckung, sechs tragen eine Sonnenbrille. Und sie alle haben ihren Teil dazu beigetragen, dass ElyZion ein schwer erträgliches Werk geworden ist.

Beim flüchtigen Hören ist das fünfte Studioalbum des Kollektivs einfach noch die Sorte gefälliger Soul-Pop, der dafür gesorgt hat, dass die Söhne Mannheims in ihrer Karriere mehr als drei Millionen Tonträger verkauft haben. Das ist auch nicht allzu verwunderlich, denn Xavier Naidoo und Michael Herberger, die sich zuletzt während der Tour 2012 von den Söhnen Mannheims verabschiedet hatten, sind zumindest als Autoren bei ElyZion wieder an Bord. Naidoo beispielsweise hat gleich bei fünf Tracks entweder Musik oder Text oder beides beigetragen.

Solides Produktionshandwerk, guter Gesang und ein Gespür für Melodie – das bekommt man auch diesmal von den Söhnen Mannheims. Vorspuln Durchdrehn beispielsweise ist ein kraftvoller Rap-Track, irgendwo zwischen Jan Delay und dem Wu-Tang Clan (auch wenn der Refrain arg plump ist). Die Ballade Deine Waffe ist die Liebe wartet am Ende mit schönen Streichern auf, Lichtermeer hat vor allem zu Beginn einen originellen Sound (auch wenn es danach wieder nur die übliche Erbauungs-Lyrik gibt). Und Wir leisten es gern, das beste Lied der Platte, vereint eine The-Roots-Gitarre, Bläser und einen englischen Rap von Metaphysics (der hier wiederholt für Lichtblicke sorgt) zu einem gelungenen Optimismus à la Professor Green.

Das Problem ist aber: Die Musik ist ebenso beliebig wie der Text. Die Söhne Mannheims versprechen eine Rückbesinnung auf ihre Wurzeln, auch der Albumtitel ist eine deutliche Anspielung auf das Debüt Zion im Jahr 2000. Doch stattdessen bietet die Platte nur ein wildes Durcheinander von Sounds, Egos und Genres, das durch keinerlei Identität verbunden ist.

Natürlich kann man in Zeiten von Lady Gaga und Daft Punk darauf verweisen, dass der Autor längst nicht nur in der Literatur, sondern auch im Pop tot ist. Es mutet zunächst auch seltsam an, von einer 13-köpfigen Kombo so etwas wie einen gemeinsamen Charakter zu verlangen. Doch es waren gerade die Söhne Mannheims, die mit ihrem Sound, ihren Texten und ihrem Bekenntnis zum Miteinander diesen Anspruch auf Authentizität etabliert haben, der heute noch in Künstlern wie Philipp Poisel oder Tim Bendzko fortwirkt. Und genau dieses Gefühl, das hier jemand singt, weil es ihm ein Bedürfnis ist, von seinen eigenen Erfahrungen zu berichten und damit die Menschen zu erreichen, ist in keinem Moment von ElyZion auffindbar.

Stattdessen gibt es 14 Lieder, die klingen, als habe jemand seine Hausaufgaben für die Pop-Akademie gemacht und sich dabei besonders strebsam, aber auch besonders gesichtslos erweisen wollen. Der Opener Wenn es um Liebe geht wandelt in den Godzilla-Fußstapfen von Puff Daddys Come With Me, mit Scratches, Streichern und mächtigem Beat, entwickelt aber keine echte Wucht. Back To You ist denkbar belangloser Schmusepop, bei der Klavierballade Ich muss raus muss man tatsächlich an Helene Fischer denken. Second To Die kann man nur als „Lenny Kravitz für Arme“ verbuchen, inklusive einer satten Dosis des Hardrock-Geprolles, das sich selbst Aerosmith seit mindestens 1993 verkneifen.

Es geht freilich noch schlimmer: Es ist soweit versucht, alle aktuellen Probleme der Welt, von der Finanzkrise bis zur NSA-Ausspähung, in ein Lied zu packen, ausgerechnet untermalt von Plätschersound. Auch Ruhe vor dem Sturm wird eine düstere Zukunftsvision mit bedeutungsschwangerer Gitarre und Unheilig-Mentalität, aber der Sound dazu könnte kaum beschaulicher sein. Augenblick ist ein riesiges Chaos: Es gibt eine Geige, ein Banjo und einen Text, den PUR auch nicht peinlicher hinbekommen hätten – und nichts davon passt zusammen.

Ganz am Schluss von ElyZion gibt es mit Wie du das einzige Lied, in dem glaubhafte Emotionen stecken. Das ist keine allzu gute Quote für eine Band, die ihre eigene Musik als „Soul“ versteht.

Harte Zeiten, nicht nur in Mannheim: Das Video zu Großstadt.

httpv://www.youtube.com/watch?v=buwWvv914zY

Homepage der Söhne Mannheims.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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