Künstler*in | Songhoy Blues | |
Album | Music In Exile | |
Label | Transgressive | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Kolonialisierung ist natürlich eine bescheuerte Idee. Rassismus auch. Habe ich deshalb Lust, mir irgendeine Kackmusik anzuhören, bloß um zu beweisen, wie groß meine Wertschätzung für die Errungenschaften der afrikanischen Kultur ist? Nein, habe ich nicht. Kein bisschen.
Das Glück bei Songoy Blues ist: Derlei Pseudo-Großherzigkeit ist gar nicht notwendig. Ihr morgen erscheinendes Debütalbum Music In Exile funktioniert auch ohne politisch korrekte Weltmusik-Romantik blendend.
Gleich der Auftakt Soubour zeigt, wie geschickt das Quartett aus Mali die Kraft der E-Gitarre einzusetzen vermag, und viel mehr noch die Kraft des Repetitiven. Al Hassidi Terrei klingt eher nach der Zukunft als nach Folklore. Ai Tchere Bele ist vital, heiß und souverän wie die besten Momente von Tinariwen. Wayei zeigt, wie sehr bei Songhoy Blues auch Gitarre und Stimme als Rhythmusinstrumente gedacht werden – der Song hört gerade noch rechtzeitig auf, bevor man davon in Trance versetzt wird.
Drei der vier Bandmitglieder gehören dem Volk der Songhoy an, das seine Ursprünge am Niger zwischen Timbuktu und Gao hat. In Gao haben sich Oumar Toure, Aliou Toure und Garba Toure auch zusammengetan, bevor sie wegen der Unruhen im Norden von Mali in den Süden des Landes fliehen mussten, wo Schlagzeuger Nathanial ‘Nat’ Dembele die Besetzung komplettierte.
Der Status als Vertriebene im eigenen Land prägt Music In Exile. Liedern wie dem geheimnisvollen Jolie oder der brodelnden Ballade Sekou Oumarou kann man eine nicht zu leugnende Wehmut und Sehnsucht anhören.
Die Platte ist aber weit davon entfernt, ein Lamento zu werden: Das rasante Irganda zeigt, wie viel Bands wie Friendly Fires oder Two Door Cinema Club von afrikanischen Rhythmen übernommen haben, Nick setzt auf einen Groove, wie ihn auch CCR oder The Doors geschätzt haben. Zudem bietet das Lied (wie einige andere) die Möglichkeit, einem Hobby zu frönen, das die meisten von uns wahrscheinlich seit der Kindheit und dem Erlernen der ersten englischen Vokabeln nicht mehr betrieben haben: Man kann hier in einer Fantasiesprache mitsingen und gerade deshalb, weil man den Text nicht versteht, umso begeisterter von der Melodie sein.
Die Universalität der Musik von Songhoy Blues brachte ihnen 2013 schon eine Einladung zum Africa Express ein, wofür sie Maison des jeunes beisteuerten, einen gemeinsam mit Nick Zinner von den Yeah Yeah Yeahs produzierten Track. Auch mit Julian Casablancas und Damon Albarn stand das Quartett schon auf der Bühne.
Kein Wunder bei Songs wie Petit Metier, das zunächst nur auf eine akustische Gitarre setzt und auch danach eine große Gelassenheit bewahrt, oder Desert Melodie, das so filigran und intuitiv ist, dass es fast zerbrechlich wirkt. Das letzte Lied des Albums, Mali, ist das einzige, auf dem kein Gruppengesang zu hören ist, sondern nur eine einzelne Stimme. Deshalb klingt es nicht wie eine gemeinschaftliche Beschwörung, sondern wie ein privates Gebet – und so kraftvoll und faszinierend wie die gesamte Platte.