Hingehört: Strand Of Oaks – „Hard Love“

Künstler Strand Of Oaks

Hard Love Strand Of Oaks Kritik Rezension
„Hard Love“ ist das vierte Album von Strand Of Oaks.
Album Hard Love
Label Dead Oceans
Erscheinungsjahr 2017
Bewertung

Tim Showalter hat eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie gute Musik funktionieren sollte: „For me, there are always two forces at work: the side that’s constantly on the hunt for the perfect song, and the side that’s naked in the desert screaming at the moon. It’s about finding a place where neither side is crompromised, only elevated“, sagt der Mann, der Strand Of Oaks ist, und morgen mit Hard Love sein viertes Album vorlegt.

Nach zwei selbst verlegten Platten und dem sehr gelungenen Vorgänger Heal (2014), ist ziemlich klar, welche der Komponenten dabei diesmal im Fokus steht: die Sache mit der Wüste, dem Heulen und dem Mond. „In a time of calculation and overthinking, I wanted to bring back the raw, impulsive nature that is the DNA of so many records I love“, sagt Showalter. Er hatte auch reichlich Anlass, sich in einen reißenden Fluss voller Emotionen zu stürzen: Seit der Veröffentlichung von Heal gab es für ihn unter anderem turbulente Tourneen, eine Ehekrise und die aufreibenden Wochen, in denen sein jüngerer Bruder beinahe gestorben wäre.

Auf das letztgenannte Ereignis verweist der Schlusspunkt des Albums, Taking Acid And Talking To My Brother. Der beste Bezugspunkt für den Song sind The Doors, nicht nur in der Länge des Stücks (8:02 Minuten), sondern auch im Sound. Cry erweist sich als Klavierballade, die genauso klingt, wie sie heißt – und thematisiert recht eindeutig das Ende einer Beziehung, das man selbst verschuldet hat: „Eventually, there’s this crushing reality of what it means to hurt someone, what you did to hurt someone. You’re not the victim anymore, it’s not romantic, it’s not a narrative. You just realize you’re the cause of problems“, erklärt Showalter den Ausgangspunkt.

Bei all dem emotionalen Tiefgang vernachlässigt Hard Love indes keineswegs das superbe Songwriter-Handwerk, das im eingangs erwähnten Glaubensbekenntnis von Strand Of Oaks eben auch genannt wird. Die Platte, produziert von Nicolas Vernhes, ist äußerst abwechslungsreich und sofort sehr zugänglich. Im Titelsong, der Hard Love eröffnet, lässt die Stimme an Adam Olenius (Shout Out Louds) denken, ebenso das Grundgefühl (Melancholie, die gerne Euphorie sein will) und die Dramaturgie (von leise zu dynamisch, aber viel spannender, als das auf dem Papier klingt).

Quit It ist vom Blues geprägt, Rest Of It würde Primal Scream gefallen, Everything gerät so herrlich träge und dreckig wie die besten Momente von Frank Blacks Solowerk. Salt Brothers ist herrlich romantisch und überheblich in seinem Imperativ: „We want something new / make it good, make it real, make it true.“ Radio Kids überrascht mit recht prominenten Synthies und einer Leidenschaft, die Gaslight Anthem neidisch machen dürfte. Es geht um die tröstende Kraft der Musik, inklusive der Erkenntnis, dass man dieses Gefühl besonders stark empfindet, wenn man jung ist, und als Erwachsener leider fast immer verlernt hat, wie schön es sein kann, in richtig schlechten Zeiten von einem richtig guten Song aufgebaut zu werden.

Als ein Schlüsselmoment in der Entstehung des Albums kann das eher getragene On The Hill gelten. Es ist eine Erinnerung an die drei Tage, die Showalter beim Boogie Festival in Australien verbracht hat – jedenfalls, sofern er sich noch daran erinnern kann. „It’s like I had to fly across the world to find out who I was. It was all about getting loose, and connecting with people on a primordial level… letting go of all the bad things, losing your inhibitions, and figuring out what it means to be alive.“

Es ist diese Erkenntnis, die Strand Of Oaks hier sehr nachhaltig prägt – und die dafür sorgt, dass Hard Love bei allem Tiefgang und seinem schonungslosen Blick auf die Schattenseiten des Lebens doch ein so positives und kraftvolles Album geworden ist. „Some records are built like monuments, set in stone. I wanted this record to be burned in effigy, I want it to be burnt in celebration of the limited time we have on earth“, sagt Tim Showalter. Jeder Note hier hört man an, wie er das meint. Also lasst uns um das Feuer tanzen.

Lust auf Albträume? Das Video zu Everything könnte eine gute Inspiration sein.

Website von Strand Of Oaks.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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