Künstler | Summer Camp | |
Album | Summer Camp | |
Label | Moshi Moshi | |
Erscheinungsjahr | 2013 | |
Bewertung |
The End heißt, lustigerweise, das erste Lied auf diesem Album. Es hat noch mehr Widersprüche zu bieten. „There is no control“, lautet beispielsweise die zentrale Zeile. Dabei klingt die Musik – irgendwo zwischen Blondie und Human League anzusiedeln – keineswegs nach Ekstase, sondern erstaunlich selbstdiszipliniert. Aber genau aus dieser kalkulierten Beherrschung bezieht der Track, noch so ein scheinbarer Widerspruch, seine verführerische Spannung.
Damit ist The End sehr typisch für Summer Camp. Als „21st-century alt.pop” hat der NME einmal die Musik des englischen Duos bezeichnet, und dazu gehört, dass sie, ähnlich wie beispielsweise die Ting Tings, verstanden haben, dass ein toller Song nicht besonders viele Zutaten braucht, sondern besonders gute – und vor allem eine Mischung, die auf Effekt ebenso aus ist wie auf Balance, wie etwa Night Drive gegen Ende dieser Platte zeigt. Vor allem aber sind Jeremy Warmsley und Elizabeth Sankey, der Instrumentemann und die Sängerin (oder „der Kopf und das Herz von Summer Camp“, wie sie sich selbst nennen) verrückt nach Pop. Und das macht aus Summer Camp, ihrem zweiten Album, ein enormes Vergnügen.
Im Gegensatz zum Debüt Welcome To Condale (2011) gibt es hier keine in sich geschlossene Geschichte, sondern Texte aus dem Leben der Eheleute Warmsley und Sankey. “With this album, we pushed ourselves to be more open, to portray our own emotions honestly rather than using fictional characters. The process was difficult, tantrums were had, but ultimately we’re glad to have songs that more closely represent us, our friends, and being alive in this decade”, sagen sie.
Fresh erzählt dementsprechend von der ersten Liebe als Traum und Trauma. Wenn Elizabeth Sankey „Do you remember the first time?“ singt, dann stecken beide Aspekte in dieser Zeile, das Märchen- und Schmerzhafte, das die erste Liebe so unvergesslich macht. Die Musik dazu klingt nach einer Disco, die so elegant ist, dass womöglich nicht einmal Sophie Ellis-Bextor hineinkommt. Keep Falling ist verspielt, niedlich und schlau wie die Songs von Lily Allen, Two Chords lässt an eine noch stilvollere und groovigere Variante der Long Blondes denken. „Let me be perfect / that’s all I ever want“, singt Sankey, und genau in diesem Moment ist sie an diesem Wunschtraum schon ziemlich nah dran.
Das beinahe rockige Crazy ist ein Höhepunkt, das unwiderstehliche Everything Has Changed hat einen tollen Call-and-Response-Gesang zu bieten, Phone Call ist so leicht und zugleich zwingend und schlüssig, dass die All Saints selbst in ihren besten Zeiten dafür getötet hätten. Am Ende wird Pink Summer mit seiner These „It’s not how much you love / it’s how much you are loved“, gleichzeitig funky, hymnisch und todschick.
In der Mitte von Summer Camp, das von Stephen Street (The Smiths, Blur) produziert wurde, beweist das Duo, dass es mehr zu bieten hat als intelligente gute Laune zum Mitsingen und Tanzen (was schon eine Menge ist). Die Ballade Fighters hat durchaus Tiefgang, verzichtet aber auf Bombast. I Got You unterstreicht seine Ambitionen unter anderem mit ein bisschen Pentatonik.
“This album is a statement of intent: this is us, take it or leave it…”, sagt Jeremy Warmsley passend dazu. “… Please take it”, ergänzt Elizabeth Sankey sicherheitshalber noch. Man kann dieser Empfehlung nur Nachdruck verleihen: Eine so kurzweilige, stilsichere, aktuelle, clevere und heitere Popplatte wird im in diesem Jahr sonst nur schwer finden.
Szenen einer Ehe – der Trailer zum zweiten Album von Summer Camp:
httpv://www.youtube.com/watch?v=EhPqL3f_OUM