Künstler | Suuns | |
Album | Hold/Still | |
Label | Secretly Canadian | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Ein C-Dur ist niemals ein C-Dur. Das ist ja das Schöne an der Rockmusik: Man kann natürlich vorgeben, welche Töne da mit welchem Instrument in welcher Lautstärke gespielt werden sollen, und dennoch gibt es hunderte Möglichkeiten, wie das Ergebnis klingen kann. Genauso wichtig wie die Komposition ist der Sound. Genauso wichtig wie das, was gesungen wird, ist es, wie die Worte klingen. Genauso wichtig wie das, was auf dem Notenblatt steht, ist das, was aus den Lautsprecherboxen vibriert. Suuns zeigen mit Hold/Still, wie gut sie das verstanden haben.
“It’s rare that acoustic drum kit, guitar, and bass comprise a finished product for us. For a song to be Suuns, it has to be coloured by electronics”, sagt Schlagzeuger Liam O’Neill, und auf seinem am Freitag erscheinenden dritten Album nutzt das 2007 gegründete Quartett aus Montreal diesen Ansatz, um seine Identität noch ein bisschen schärfer zu formen.
Das gilt von Anfang an: In Fall wirkt der Gesang von Ben Shemie fast, als wolle er die giftige Gitarre von Joe Yarmush beruhigen, bevor ein Schlagzeug erklingt, das offensichtlich mit einem Vorschlaghammer gespielt wird. UN-NO basiert auf einem Krautrock-Beat, der Rest der Musik versucht, sich aufzuschwingen, wir aber immer wieder niedergedrückt. In Resistance klingen Suuns wie Joy Division, bevor sie entdeckt haben, dass kontrollierte Wut die fehlende Zutat für ihren Sound ist.
Hold/Still, aufgenommen innerhalb von drei Wochen mit Produzent John Congleton (St. Vincent, The War On Drugs, Sleater-Kinney) in Dallas, ist manchmal beinahe behutsam, oft ist es spannend und originell, dabei doch sperrig und bedrohlich. “There’s an element of this album that resists you as a listener, and I think that’s because of these constantly opposing forces”, sagt Liam O’Neill. “Listen to the song Brainwash, for instance. It’s a very soft, lyrical guitar song, existing alongside extremely aggressive and sparse drum textures. It inhabits these two worlds at the same time.” Das ist noch harmlos umschrieben: Der besagte Track lockt den Hörer mit spärlicher E-Gitarre und geflüstertem Gesang auf die völlig falsche Fährte, was man erst bemerkt, als ein Monsterbass einsetzt, der selbst dem fiesesten Techno-DJ der Welt noch Ehre machen würde und der sich am Ende noch einmal richtig austoben darf.
„I wanna believe / I wanna receive“, heißt es in Instrument, aber Ben Shemie singt sagt das inmitten so großer Trostlosigkeit, dass das Scheitern seiner Vorsätze schon festzustehen scheint. In Translate gibt es ein bisschen Kraftwerk, gegen Ende ein bisschen George Harrison und dazu viel Nervosität. Und Infinity wird ein perfekter Schlusspunkt für Hold/Still, gerade weil es so seltsam ist (apropos: Das Albumcover zeigt übrigens eine Dame namens Nahka, eine frühere Arbeitskollegin von Ben).
Die Idee, sich diesmal außerhalb des vertrauten Montreal-Milieus zu bewegen („We were looking for something to take us out of our element, or that might seep into our music”, erklärt Joe Yarmush diesen Schritt), hat sich ebenso ausgezahlt wie die Entscheidung, weitgehend auf Overdubs zu verzichten. Gerade dadurch bekommt der Sound von Suuns hier einen so unverwechselbaren und unmittelbaren Charakter, vor allem in den zahlreichen instrumentalen Passagen von Hold/Still.
“We write quite minimal music”, sagt Ben Shemie. “They’re not traditional song forms, sometimes they don’t really go anywhere – but they have their own kind of logic.” Joe Yarmush hat bereits eine etwas kompaktere Umschreibung für das Metier von Suuns gefunden: “It’s pop music, but sitting in this evil space.”
Nicht nur ein bisschen bedrohlich ist auch das Video zu Paralyzer.
Suuns gibt es bald live bei uns:
19.05. – Berghain, Berlin, DE
27.05. – Immergut Festival, Neustrelitz, DE
28.05. – Seewiesen Festival, KleinReifling, AT
05.06. – Maifield Derby Festival, Mannheim, DE