Künstler | Taken By Trees |
Album | Other Worlds |
Label | Secretly Canadian |
Erscheinungsjahr | 2012 |
Bewertung |
Es ist sicherlich im Sinne des Erfinders, wenn man bei einem Album mit dem Titel Other Worlds ein wenig ins Träumen und Spintisieren gerät. Es ist in diesem Fall sogar ganz explizit gewünscht. „I am hoping it can take you on a little trip, somewhere luscious and warm“, sagt Victoria Bergsman – die Frau hinter Taken By Trees – über Other Worlds, ihr drittes Album unter diesem Moniker.
Meine Vorstellung zu dieser zauberhaften Platte sieht so aus: Ich bin ein kleiner Junge, hungrig nach neuer Musik, ich verstecke mich abends, wenn ich längst schlafen soll, unter der Bettdecke, und ich höre seltsame Musik mit einem uralten Weltempfänger, den ich auf dem Dachboden gefunden habe. Diese seltsame Musik ist der Sound von Taken By Trees.
Denn das Album, zu dem Victoria Bergsman bei einem Besuch in Hawaii inspiriert wurde („I gathered ideas for songs, recorded nature sounds“, sagt sie) und das in Zusammenarbeit mit Produzent Henning Fürst entstanden ist, vereint Weltmusik mit LoFi und hat dabei einen ganz eigenen, urtümlichen Reiz. Fast alle Stücke sind sehr reduziert, aber mit großen Melodien ausgestattet. Vieles klingt, als sei auf dem langen Weg bis zum Weltempfänger unter der Bettdecke ein Teil verloren gegangen, der linke Kanal meinetwegen oder ein bestimmter Frequenzbereich. Manchmal wirkt Other Worlds auch, als überlagerten sich verschiedene Lieder, aber daraus wird keine Kakophonie, sondern ein Rätsel.
Horizon steht am Beginn und könnte als Unterwasser-Blues-Jazz durchgehen. Highest High ist einer von vielen Tracks mit einem Reggae-Fundament, aber angereichert um einen verwunschenen Männerchor, der aus Kalifornien herüberweht. In Other Words holt eine Pedal-Steel-Gitarre aus Nashville dazu, ganz viel Leichtigkeit und am Ende sogar Vogelzwitschern.
Not Like Any Other vereint eine Doors-Orgel und Dub-Atmosphäre mit Beats aus Maschinengeräuschen. Wenn Lisa Stansfield oder Neneh Cherry sich in der Karibik angesiedelt hätten, wären vielleicht Songs wie Your Place Or Mine herausgekommen. Wenn es in Seoul, Kyoto oder Ulan-Bator einen Ableger des Studio 54 geben sollte, dann wird dort wahrscheinlich Large in Heavy Rotation gespielt.
Das ist das Zweitbeste an Other Worlds: Bei allem Willen zum Mutigen und Exotischen ist hier ein phänomenaler Pop-Feinsinn am Werk. Das famose Only You, das beste Lied dieser Platte, kann locker acht Wochen Ferien ersetzen. Pacific Blue klingt wie ein Sommerhit aus der Zeit, als man noch Hüte trug und sich am Strand die Cocktails von seinem Personal servieren ließ. Und mit Dreams kommt auch noch ein Stück hochklassiger 80er-Pop zu unserem Weltempfänger herübergehuscht, der womöglich durch ein schlimmes Versehen seit Jahrzehnten im Äther feststeckte. In dem Lied stecken so viel Finesse und Verführung, dass man dann doch merkt, dass diese Victoria Bergsman die Stimme ist, die uns einst das unsterbliche Young Folks geschenkt hat.
Das Beste an Other Worlds ist aber noch etwas anderes: Taken By Trees haben eine Platte gemacht, in der ganz viel Zufriedenheit, Fantasie und Optimismus stecken. Wie sagt Victoria Bergsman so schön: „Lay back and enjoy.“
Taken By Trees spielen I Want You und Only You:
httpv://www.youtube.com/watch?v=c_RLDyJRWaI