Künstler | The Gift | |
Album | Altar | |
Label | La Folie | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Man stelle sich einmal vor, Stefan Kießling (ein in seiner Heimat schon lange erfolgreicher, aber international wenig bekannter Profi) trifft in seinen Sommerferien auf Diego Maradona (einen Helden seines Genres, der mit seinem Schaffen einst eine ganze Ära prägte). Und dann reden die beiden vielleicht über die Familie, über Mode und Autos – aber kein Wort über das, was sie vordergründig verbindet: Fußball. Kaum vorstellbar? Vielleicht.
Bei Nuno Goncalves und Brian Eno hat es sich allerdings so zugetragen. Der eine (Goncalves) ist seit 1994 bei The Gift aktiv, einer Band aus Alcobaca in Portugal, die in ihrer Heimat schon auf Nummer-1-Alben und Goldene Schallplatten zurückblicken kann. Der andere (Eno) hat, zunächst als Mitglied von Roxy Music, dann als Solokünstler und Produzent, die elektronische Musik insgesamt und Ambient insbesondere geprägt. Als sie sich 2010 in Sao Paolo begegneten, blieb Fachsimpeln über Plattenmachen aber aus: „Wir haben überhaupt nicht über Musik gesprochen. Nur über Quatsch. Wir waren ja schließlich im Urlaub!“, erinnert sich Nuno Goncalves.
Bei einer weiteren Begegnung am Rande eines Konzerts in Spanien ging es dann doch um Musik, die Idee einer Zusammenarbeit stand aber noch immer nicht zur Debatte. Erst als Sängerin Sonia Tavares diese Idee mit Nachdruck ins Gespräch brachte, wurde aus der Freundschaft zwischen Goncalves und Eno auch eine professionelle Kollaboration. Basis dafür war vor allem die Vorfreude der Band, sagt Sonia Tavares: „Wir waren für alles offen. Wenn es eine Sache gab, die für uns ungewöhnlich war, ist es, einem Fremden unsere Songs anzuvertrauen. Aber wir waren alle zum ersten Mal so drauf, dass wir sagten: Na los, lasst uns Jemanden vertrauen – es ist schließlich Brian Eno!“ Die Songs von Altar entstanden schließlich in vier Session, verteilt über zwei Jahre. „Er hat uns nicht wirklich geführt. Er führt sich selbst zu wundersamen Plätzen, und sobald er dort angekommen ist, lädt er uns ein: ‚Kommt vorbei, hier geht’s lang!‘ Und dann folgen wir ihm“, umschreibt Nuno Goncalves die Arbeit im Studio mit Brian Eno, der dabei gleich in mehrfacher Mission involviert war: als Co-Produzent, Mitkomponist und -Texter, Musiker und auch als Sänger.
Um zu beurteilen, wie viel The Gift und wie viel Brian Eno nun in Altar steckt, müsste man die vorherigen fünf Studioalben der Portugiesen kennen. Was man auf jeden Fall sagen kann: Viele Songs der Platte sind so gelungen und funky wie Big Fish, das keinen anderen Anspruch hat als tanzbar und schick zu sein. Abba sind da als Bezugspunkt nicht verfehlt, anderswo kann man eine Verwandtschaft zu Air heraushören wie im sanften Vitral. Die Bandbreite reicht vom schwelgerischen, schwermütigen Hymn To Her bis hin zum zackigen und gut gelaunten Clinic Hope, dessen Refrain an All Together Now von den Beatles erinnert. Zwischendurch gibt es auf Altar eher elektronisch geprägte Tracks wie Love Without Violins, das sich seinen sehr schönen Refrain bis kurz vor dem Ende aufhebt, entspannte Momente wie You Will Be Queen und im Falle des mondänen, aber etwas langweiligen Lost And Found auch einen Ausrutscher.
Einigen Songs hört man an, dass sie auf Jam-Sessions beruhen, nicht zu verkennen ist auch die Lust am Experiment, die Brian Eno bei den Portugiesen sicher noch gesteigert haben dürfte. Die Eckpunkte des Albums lassen leicht verstehen, wie The Gift zuhause zu großen Stars werden konnten: Der erste Track der Platte, I Loved It All, glänzt neben schicken Streichern und dezentem Beat vor allem mit der reizvollen Stimme von Sonia Tavares, die sich ziemlich genau zwischen Shirley Bassey und Shirley Manson positionieren zu wollen scheint. What If, der letzte Song von Altar, zeigt mit einem sehr reduzierten Arrangement am deutlichsten den Kern des Sounds von The Gift: gute Songs und reizvolle Atmosphäre.
Einen besonderen Pluspunkt führt beispielsweise Malifest vor Augen: Bei aller Aufmerksamkeit für Stimmungen und Sounddetails kommt bei The Gift der Spaßfaktor nicht zu kurz. Das Lied ist quietschfidel, optimistisch und mitreißend. Nuno Goncalves betont schließlich: „Wir sind Pop-Musiker. Wir mögen das Lachen mehr als das Weinen.“