Künstler | The Julie Ruin | |
Album | Hit Reset | |
Label | Hardly Art | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Hit Reset? Das wäre eigentlich der bessere Name für das Album gewesen, das The Julie Ruin nach ihrer 2009 vollzogenen Umbesetzung gemacht hatten. Damals scharte Kathleen Hanna, einst Gründerin von Bikini Kill und Le Tigre, in New York neue Mitstreiter für die Band um sich, deren Debütalbum schon 1997 erschienen war. Als das dann so gut funktionierte, dass man als The Julie Ruin 2.0 tatsächlich neue Songs bastelte und auch auf Tour ging, hieß die dazugehörige, 2013 veröffentlichte Platte allerdings Run Fast.
Das wiederum wäre auch ein treffender Titel für den gerade erschienenen Nachfolger gewesen. Hit Reset ist ein Album, auf dem immer Action und niemals Stillstand herrscht, das stets kurzweilig ist, aber in keinem Moment unreflektiert.
Der Titelsong gleich zum Start von Hit Reset zeigt, wie gut dieser Kontrast aus niedlicher Stimme und krawalligem Sound, aus Trash-Ästhetik und einem Slogan („I don’t think you’re sorry at all“) im Refrain noch immer funktioniert. Da muss man nicht nur an Le Tigre denken, sondern auch an Stereo Total. In Rather Not klingen The Julie Ruin wie eine Girlgroup, der jegliche Vorstellung von Tugend abhanden gekommen ist. In Record Breaker lässt Gitarristin Sara Landeau die Muskeln spielen – dass „alone” in diesem Call-and-response-Teil ein bisschen wie „alarm” klingt, ist wohl kein Zufall. Mr. So And So beginnt gleich mit einer gesprochenen Tirade und wird auch danach nicht viel versöhnlicher.
„I was way more honest lyrically on this record because we’d been on the road together and I felt more confident taking risks in front of my bandmates”, sagt Kathleen Hanna. „I’ve written about my personal bouts with illness, abuse, sexism and how hard it is for me to walk away from people even when they are toxic Tasmanian Devils before, but not in this way.”
Am deutlichsten wird dieser Mut zum Persönlichen in Calverton, das am Ende von Hit Reset steht und tatsächlich „Ballade“ genannt werden muss. Da ist sie dann doch kein Riot Grrrl mehr, sondern ein (47-jähriges) Mädchen, das klein und zerbrechlich wirkt – natürlich nur, weil sie das so will.
Auch die gestiegene Aufmerksamkeit für die Mitmusiker kann man dem Album anhören. Let Me Go zeigt, wie sehr der Charakter dieser Band, der sich hier in Form des holpernden Schlagzeugs von Carmine Covelli, der überpräsenten Orgel und des chaotischen Klaviers von Kenny Mellman und des neonfarbenen Gesangs äußert, auch eine vergleichsweise konventionelle Komposition prägen kann. Auch Roses More Than Water ist ein Beispiel dafür. Inmitten von Chaos und Spontaneität ist das Lied (vor allem durch den Bass von Kathi Wilcox) auf faszinierende Weise stoisch.
I’m Done, das beste Stück der Platte, ist hysterisch und verspielt wie einst Deceptacon von Le Tigre. The Julie Ruin beweisen zudem eine ordentlich Dosis Punk-Spirit: Mit I Decide haben sie ausgerechnet das experimentellste Stück der Platte als Vorab-Single auserkoren. Be Nice will offensichtlich verstören, provozieren und nerven – wahrscheinlich ist das alles eine Reaktion auf die so oft gehörte (und hier herrlich verballhornte) Aufforderung, die im Titel steckt. Planet You ist fröhlich, tanzbar und exaltiert, wie man das beispielsweise von den Ting Tings kennt, und lässt sogar, wie später auch Time Is Up, etwas Aggressivität erkennen.
Ein Schmankerl ist auch Hello Trust No One. “I can play electric guitar / while shaving my legs / in a moving car”, heißt die coolste Zeile des Lieds (und des Albums) – und so grandios überheblich, durchgeknallt und selbstbewusst feminin wie dieser Moment klingt der komplette Song, und das gesamte Album.