Hingehört: The Tallest Man On Earth – „Dark Bird Is Home“

Künstler The Tallest Man On Earth

The Tallest Man On Earth hat diesmal fast immer eine Band dabei.
The Tallest Man On Earth hat diesmal fast immer eine Band dabei.
Album Dark Bird Is Home
Label Dead Oceans
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Ruft man in diesen Tagen die Website des Tallest Man On Earth auf, so dreht er einem dort den Rücken zu. Mit einer Tasche in der rechten Hand erklimmt er eine Treppe, ohne erkennbares Ziel. Dieselbe Pose gibt es auch auf dem Cover von Dark Bird Is Home, seinem morgen erscheinenden vierten Album. Natürlich ist das kein Zufall: Die Rastlosigkeit spricht auch diesmal aus den Liedern des Schweden (bürgerlich: Kristian Matsson), und die Songs für Dark Bird Is Home wurden passend dazu in verschiedenen Studios in verschiedenen Ländern aufgenommen.

Das wirklich Besondere an diesem Werk ist allerdings: Erstmals wird The Tallest Man On Earth fast durchweg von einer kompletten Band begleitet – und das fügt seinem urtypischen Singer-Songwriter-Sound einige sehr spannende Facetten hinzu. Vor allem der effektvolle Einsatz von überraschenden Blasinstrumenten ist es, der Dark Bird Is Home eine ganz eigene Note und eine sehr spezielle Qualität verleiht.

Schon im Opener Fields Of Our Home macht sich das bemerkbar. Das Tempo ist gedrosselt, die Gitarre gedämpft, der Chor verfremdet: Alles ist in diesem Lied gebremst, bloß nicht die Leidenschaft. Auch das folgende Darkness Of The Dream hat eine beachtliche Dringlichkeit. Timothy wird hymnisch, ohne plakativ zu sein, Singers setzt fast nur auf Gesang und E-Gitarren-Picking, wird trotz dieses reduzierten Arrangements aber kein bisschen gewöhnlich oder ereignislos.

Seventeen ist eines der Lieder, die vor allem Fans der ersten Stunde erfreuen werden: Auch hier klingt The Tallest Man On Earth (Jahrgang 1983) viel älter, schwächer und gebrochener, als er wirklich ist, aber auch viel milder und weiser. Beginners wird beinahe ein Talking Blues, Sagres lässt Wehmut und Fernweh à la Tom Petty aufkommen, mit dem Pop-Appeal von Slow Dance beweist Matsson, dass er kein Trauerkloß und kein Jammerlappen ist.

Alles auf dieser Platte hat eine hohe Intensität, zwei Stücken ragen dennoch heraus. Little Nowhere Towns zeigt eine Melancholie und Gewitztheit (und ein virtuoses Klavier) wie Billy Joel das in seinen besten Momenten hinbekommen hat, dazu gibt es einen Chor, den man auch in etlichen anderen Liedern im Hintergrund hört, und dem Matsson im Booklet die treffende Bezeichnung „Angel Vocals” verpasst hat.

Noch ein bisschen besser ist der Titelsong ganz am Schluss von Dark Bird Is Home. Natürlich singt der Tallest Man On Earth auch darin von der Suche nach Ankunft, Orientierung und Heimat – ahnend, dass ihm all das nicht vergönnt sein wird, weil es vielleicht einfach nicht seinem Wesen entspricht: „And all the ways to ride a lightning / I’ve used up a few / And I just want you to be safe / As I thunder through.”

Der Albumtrailer zu Dark Bird Is Home.

Homepage des Tallest Man On Earth.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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