Künstler*in | The Weeknd | |
Album | Beauty Behind The Madness | |
Label | Republic | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Ich mag Abel Tesfaye (den Sänger) nicht. Nicht nur, weil er als The Weeknd gerade verhindert hat, dass die wunderbaren Foals ihr erstes Nummer-1-Album schaffen (stattdessen steht aktuell Beauty Behind The Madness an der Spitze der UK-Charts, ebenso wie in Australien, Kanada, Norwegen und den USA). Sondern auch, weil ich mich wundere, warum so viele Leute auf den Sound des 25-jährigen Kanadiers abfahren (auch in Deutschland, wo in den Albumcharts immerhin Platz 7 heraussprang). Auf dem zweiten Album von The Weeknd gibt es massenhaft todlangweilige und geschmacklose Musik.
In The Night hält man zuerst für die Sorte von Mist, die auch Michael Jackson in seinen schwächeren Momenten regelmäßig abgeliefert hat, auch wenn man das heute nicht mehr wahrhaben will. Dann merkt man allerdings: Der Song ist noch schwächer, ungefähr auf Modern-Talking-Niveau. Das öde Tell Your Friends hat nichts zu bieten als überflüssige Background-Vocals von Kanye West und ein aufgeblasenes Gitarrensolo. Die Single Often will geheimnisvoll und verführerisch sein, ist aber viel zu offensichtlich und plump. Wer das sexy findet, fährt wahrscheinlich auf Brachial-Erotik à la Lolo Ferrari ab.
Das belanglose Acquainted wird erst interessant, als der eigentliche Song schon vorbei ist. Shameless klingt, als wäre Tracy Chapman in einem großen Topf voll Kitsch gefallen, und baut auch noch die Todsünde eines Keyboard-Gitarrensolos ein. Earned It ist nicht besser geworden, seit es auf dem Soundtrack von Fifty Shades Of Grey das Licht der Welt erblickt hat. As You Are hätte man selbst aus dem Mund von N-Sync zu seicht gefunden. Und Angel, der Schlusspunkt von Beauty Behind The Madness, macht sich all der schlimmsten Eighties-Power-Ballad-Exzesse schuldig, inklusive Kinderchor (!), verschämter E-Gitarre, pompösen Drums und künstlichen Streichern, gekrönt von einem sagenhaft dummen Text. Wenn man eine Windmaschine vertonen könnte, würde sie so klingen.
Ich mag allerdings Abel Tesfaye (den Produzenten). Er ist auch hier immer dann am besten, wenn er nicht mit seinem auch so beseelten Gesang protzen will. Im starken The Hills steckt endlich etwas Spannung drin, sogar Dramatik. Can’t Feel My Face ist der Höhepunkt der Platte und zugleich einer von drei Songs, der von Max Martin mitgeschrieben und produziert wurde. Das Ergebnis findet eine sehr reizvolle Mischung aus Michael Jackson (ja, schon wieder) und Calvin Harris.
Der Nerv-Faktor sinkt auch, wenn Tesfaye gleich komplett anderen Leuten das Mikro reicht. Dark Times mit Ed Sheeran ist nicht ohne Makel, aber immerhin: Da ist ein Gesang, der kein Schauspiel ist, ein Song, der keine Show ist, sondern ein Bekenntnis. Mit Lana Del Rey gibt es in Prisoner einen weiteren prominenten Gaststar, ihre Stimme ist das Interessanteste an diesem Song, mit Abstand.
„What can you show me / that my heart doesn’t know already?“, fragt sich Labrinth in Losers, das neben der bei The Weeknd sonst kaum zu findenden Leidenschaft auch eine coole Idee mit ungewöhnlichen Bläsern am Ende zu bieten hat. Der Teil mit dem Chorgesang kommt zwischendurch allerdings viel zu unvermittelt – das riecht ein wenig arg nach Copy-Paste-Songwriting. Dass es im Booklet von Beauty Behind The Madness reichlich Collagen zu sehen gibt, passt zu diesem Vorwurf. Denn sie illustrieren die Arbeitsweise bei The Weeknd und zugleich das größte Problem bei dieser Musik: Zu viel Design und Getüftel, zu wenig Substanz und Gefühl.
Karaoke für Fortgeschrittene bietet das Video zu Can’t Feel My Face.
https://www.youtube.com/watch?v=-x87oZnl0Bc