The Wombats – „Glitterbug“

Künstler The Wombats

Cover des Albums "Glitterbug" von The Wombats
Zwischen L.A. und London entstanden die Songs auf „Glitterbug“.
Album Glitterbug
Label Warner
Erscheinungsjahr 2015
Bewertung

Bei ihrem dritten Album haben es The Wombats endlich geschafft, ein schickes Plattencover hinzubekommen. Beim Debüt gab es ein Kinderzimmerregal mit hässlicher Schrift. Danach eine schlecht maskierte Menschentraube in der Wüste. Diesmal die Silhouette einer Frau zu sehen, die faszinierend glitzert und auf geheimnisvolle Weise durchsichtig ist. Sie scheint in die Ferne zu schauen und sich jemanden zu wünschen, der sie in den Arm nimmt und vor dem kalten Wind beschützt, der ihr Haar zerzaust. Schaut man ganz genau hin, erkennt man, dass ein Blick auf Los Angeles auf sie projiziert ist.

„L.A. as a woman, sozusagen”, umschreibt Schlagzeuger Dan Haggis das Konzept dahinter. „Die Stadt in Form einer Person. Diese Idee finde ich sehr interessant. Man fühlt sich einer Stadt irgendwann fast so verbunden wie einem Menschen.“ Frontmann Matthew Murphy bekräftigt: „Wir wollten, dass L.A. Teil des Albumcovers ist, aber ohne ganz simple die Stadt abzubilden. Sam [Samuel Burgess-Johnson, der Designer] hat sehr gute Arbeit abgeliefert.“

Los Angeles spielt nicht nur auf der Plattenhülle eine zentrale Rolle auf Glitterbug. Alle drei Mitglieder der Band aus Liverpool bezeichnen die Stadt mittlerweile als zweites Zuhause, insbesondere Matthew Murphy hat viel Zeit dort verbracht, bevor die Platte dann in London aufgenommen wurde. Als er auf der Suche nach einem roten Faden für die Songs des neuen Albums war, entschied er sich, Glitterbug als die Geschichte einer Beziehung mit einer Frau aus Los Angeles zu erzählen. „Im Laufe der Zeit kehrte ich immer öfter nach L.A. zurück, und Stück für Stück entstand diese Idee. Es geht auf dem Album um Neid, um die Mühen, Affektiertheit, Sorgen und Angst, die eine Stadt wie Los Angeles – wie jede andere große Stadt in der Welt – umgibt.“

Zuerst war das ein rein fiktionales Konzept, dann bandelte er tatsächlich mit einer Frau aus L.A. an und führte eine Fernbeziehung über zwei Kontinente. „Ich weiß bloß noch nicht, für wen diese Zeitverschiebung schlimmer ist. Für den Partner im Westen oder den im Osten. Es ist schon schräg, wenn man um 10 Uhr aufwacht, frühstückt und dann mitkriegt, dass die Freundin komplett betrunken in einer Bar feiert“, erzählt er.

Etlichen der Songs hört man an, dass sie in einer Phase des Hormon- und Endorphin-Rausches, einer Zeit zwischen Hoffen und Bangen entstanden sind. Das ist natürlich perfekter Nährboden für großartigen Pop – und genau den gibt es hier massenweise. Give Me A Try ist nichts anderes als ein Synonym für Optimismus. Das umwerfende This Is Not A Party ist inspiriert von einigen „ziemlich bedeutenden“ Nächten im Sommer 2013, berichtet Murphy. Auch Be Your Shadow ist unwiderstehlich mitreißend. Von dieser Platte voller Kracher die Singles auszuwählen, dürfte eine ähnlich undankbare Aufgabe sein wie der Bürgermeister-Job in Tröglitz.

Entstanden sind die Songs in einem permanenten Hin und Her über den Atlantik: Bei etlichen Stücken bastelten Haggis und Bassist Tord Øverland Knudsen in London das Fundament, auf dem Murphy dann weiter aufbaute. Oder er komponierte – oft in L.A. – die wichtigsten Versatzstücke auf dem Klavier oder der Gitarre und schickte sie dann an die Bandkollegen, bevor man bei den endgültigen Aufnahmen mit Produzent Mark Crew (Bastille) alles endgültig in Form brachte.

Dass die Wombats durch diese Arbeitsweise irgendetwas von ihrer Unmittelbarkeit, ihrer dezenten Verschrobenheit oder ihrem Händchen für fantastische Songs verloren hätten, lässt sich auf Glitterbug jedenfalls in keinem Moment erkennen. Your Body Is A Weapon, das es vorab bereits als Gratis-Download gab, ist famos, der Auftakt Emoticons wird mittels toller Melodie, markantem Gitarrensolo und einem prototypischen Beat (und einer irritierenden Verwandtschaft zu Let Your Love Flow) zum Hit. Headspace spielt mit Softpop- und Eighties-Ästhetik, aber so schön wie dieses Lied waren die Achtziger nicht einmal annähernd.

Betörender Pop ist hier der Normalfall, aber natürlich sind die Wombats zu schlau, um sich auf Schema F zu beschränken. „Bei einem Popsong steht dir nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, um eine Geschichte zu erzählen. Du musst die Leute vom Anfang bis zum Ende in den Bann ziehen“, weiß Dan Haggis. „Es gibt natürlich bestimmte Formeln dafür, aber wir versuchen immer, die Arrangements ein wenig zu verdrehen, um Popsongs zu schreiben, die wir so noch nicht gehört haben. Das neue Album ist schon poppig, aber es passiert sehr viel in jedem Stück“, betont er.

Tatsächlich wird die Bubblegum-Atmosphäre immer wieder geschickt mit Ecken und Kanten versehen. Greek Tragedy ist ein Beweis dafür, das ein paar ostasiatische Klänge einbaut. Der Schlusspunkt Curveballs ist sommerlich, aber auch ambitioniert, mit dem erstaunlich harten The English Summer zeigen die Wombats, dass sie nicht nur Süßigkeiten mögen, sondern ab und zu auch rohes Fleisch.

Und notfalls hilft eben ein bisschen Alkohol bei der Suche nach Inspiration wie im Fall von Pink Lemonade. „Manchmal ziehe ich bewusst los, um mein Leben durcheinander zu bringen, damit ich wieder neue Ideen für Texte bekomme“, erzählt Matthew Murphy dazu. „In diesem Fall war es so, dass ich mich total besoffen habe, allein nach Barcelona geflogen bin und dort einfach nur in auf einem Platz gesessen und Rotwein getrunken habe. Pink Lemonade stammt aus dieser Zeit.“ Das Ergebnis klingt natürlich nicht nach schlimmem Kater, sondern nach euphorisierendem Rausch – wie das gesamte Album.

Es wird Leute geben, die auch auf Glitterbug genug Angriffsflächen finden, um sich über diese Band lustig zu machen. Die es altmodisch finden, das neue Album einfach live zu präsentieren, wie es die Wombats unlängst getan haben, statt eine ausgetüftelte Marketing-Kampagne loszutreten. Die der Meinung sind, man dürfe anno 2015 niemals mehr so sentimental werden, einen Song nach einer Frau zu benennen (wie die putzige Ballade Isabel, die es hier gibt). Es ist erfrischend zu sehen, dass die Wombats inzwischen damit klar kommen, dass es solche Leute gibt. Und den Rest der Welt einfach einladen, mit ihnen Spaß zu haben.

So muss das wohl sein im antiken Drama: Im Video zu Greek Tragedy sterben alle Wombats.


The Wombats — Greek Tragedy

Homepage der Wombats.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

Alle Beiträge ansehen von Michael Kraft →

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.