Künstler | Tiny Moving Parts | |
Album | Celebrate | |
Label | Big Scary Monsters | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
„Celebrate handelt von Optimismus. Manche Dinge verursachen im Leben immer wieder Stress, doch man muss immer positiv denken, sonst zerstört man sich selbst“, sagt Dylan Mattheisen, der Gitarrist und Sänger der Tiny Moving Parts. Es ist eine Aussage, die auf dem dritten Album der Band aus Minnesota eindrucksvoll bestätigt wird. Jedoch nur, wenn man auf die Texte achtet. Jemand, der das nicht tut (oder beispielsweise keine Englisch spricht), wird wahrscheinlich ganz andere Themen ausmachen: Wut, Frust, Ausbruch.
Das Trio, neben Mattheisen bestehend aus den Brüdern Matthew und Billy Chevalier, zeigt damit beinahe prototypisch die Idee von Emo: harte Sounds von weichen Kerlen. Der Auftakt Good Enough kann als Paradebeispiel dafür gelten. „I’ve been looking for something to keep me warm / to help me sleep at night“, singt Mattheisen. Das ist auf dem Papier eine putzige Zeile, die beispielsweise zu einer Boygroup passen würde, danach schreit allerdings jemand „Come on“ mit einer Bedrohlichkeit und Aggressivität, wie es auch in einem Death-Metal-Song nicht unangemessen wäre. Dieser Effekt ist später noch mehrfach zu beobachten. In Common Cold muss man sich fragen, wie drei offensichtlich hochgradig neurotische junge Männer, die von Allergien, Klaustrophobie und Atemnot singen, so viel gottverdammten Drive entwickeln können. In Stay Warm beweisen Tiny Moving Parts, dass sie nicht nur einen Weg finden wollen, das Leben zu ertragen, sondern sogar etwas beitragen, gute Menschen sein, so uncool das auch klingen mag.
Die Stärke von Celebrate ist zum einen die Unbedingtheit, mit der das verfolgt wird. Das hymnische Birdhouse ist ein gutes Beispiel dafür, auch Volumes, das allen gefallen dürfte, die der Hardcore-Vergangenheit von Frank Turner nachtrauern, und auch etlichen, die eher seine neueren Sachen mögen. Zum anderen beweisen Tiny Moving Parts eine Musikalität, die ihrer Inbrunst in nichts nachsteht und dafür sorgt, dass ihr fast orthodoxes Emo-Credo hier höchst originelle Ausprägungen findet. Breathe Deep zeigt, wie gut sie das Spiel mit laut-leise-Dynamik beherrschen – vor allem aber zeigt es, wie viele andere Tricks und Ideen sie zu bieten haben, sodass man tatsächlich staunt, wie viel noch aus diesem Emo-Ding rauszuholen ist.
Es gibt viele Trommelwirbel auf diesem Album, eine gute Dosis Flageolett-Gitarren, vor allem aber ein sehr gewitztes Songwriting. Minnow, der letzte Song auf Celebrate, zeigt die ganze Bandbreite der Band auf, von Geschrei zu eingängig, von Frauenstimmen bis zu Chor-Passagen, von simplem Start-Stop-Effekt bis hin zu unerhörten Harmoniewechseln. Dass ihre Musik bei aller Ernsthaftigkeit und den sehr ambitionierten Sounds auch Spaß machen darf, ist ein großer Pluspunkt der Tiny Moving Parts, die wiederholt schon mit Modern Baseball auf Tour waren und als wichtigen Einfluss (neben einigen sehr ehrenwerten und sehr undergroundigen Helden) unter anderem auch Blink-182 benennen.
Minnesota ist ein weiterer Beweis dafür und deutet an, dass sie sich in ihrem Heimat-Bundesstaat wohl zu fühlen scheinen, auch in dem Wissen, dass sie Außenseiter sind. In Headache kann man kaum glauben, dass das bei so abgefahrenen Drums, einer so ungewöhnlichen Songstruktur und einem so absurd erscheinenden Slogan wie „I prefer this weight on my chest“ tatsächlich ein Begriff wie „eingängig“ in den Sinn kommt. Und Happy Birthday, der beste Song des Albums, bringt die Qualitäten des Trios am spektakulärsten zum Vorschein: alles ist hoch komplex, und alles brennt lichterloh.