Künstler | Tiny Ruins | |
Album | Brightly Painted One | |
Label | Bella Union | |
Erscheinungsjahr | 2014 | |
Bewertung |
Es gibt einen wunderbaren Film namens The Saddest Music In The World, in dem ein Wettbewerb ausgetragen wird, um die traurigste Musik der Welt zu ermitteln. Gute Siegchancen haben in dem Film eine pompöse Revue aus den USA, ein Liebeskummerlied aus Spanien und afrikanische Beerdigungsgesänge. Aber es gewinnt schließlich ein Mann, der ein Cello spielt.
In der Tat ist das Cello nach wie vor das perfekte Mittel der Wahl, um Trübsal, Tiefgang und Herzeleid zu untermalen, und auf Brightly Painted One, dem zweiten Album von Tiny Ruins, hat es gleich zweimal einen prominenten Auftritt. In Jamie Blue (jaja, da steckt die Traurigkeit schon im Titel) setzt es wichtige Akzente, in White Sheet Lightning, dem Schlusspunkt des Albums, gibt es neben dem Cello nur noch eine akustische Gitarre und den Gesang von Hollie Fullbrook zu hören, und diese Kombination beschwört eine Intensität und Intimität herauf, wie das Nick Drake auch nicht besser hinbekommen hätte.
Es ist ein tolles Beispiel dafür, wie sich Tiny Ruins – gegründet 2009 als Soloprojekt von Fullbrook, mittlerweile durch Bassist Cass Basil und Schlagzeuger Alexander Freer zum Trio angewachsen – auf Brightly Painted One weiterentwickeln. Die Musik der Band aus Auckland, Neuseeland, bleibt reduziert wie schon auf dem Debüt Some Were Meant For Sea. Nach wie vor gibt es traumhafte Folksongs, die sofort verstehen lassen, warum unter anderem Beach House, Joanna Newsom und Fleet Foxes diese Band in ihrem Vorprogramm haben wollten. Doch das Trio schöpft nun aus einem größeren Reservoir an Instrumenten, Ideen und Erfahrungen.
Im beinahe somnambulen Night Owl gibt es ein bisschen E-Gitarre, in Carriages sorgen dezente Bläser für Spannung. Reasonable Man setzt auf ein etwas theatralisches Picking, und der Gesang ist am Ende so schön, dass er manches Herz brechen wird und jedes wieder heilen kann. Die Musik der Tiny Ruins ist eine Insel ohne Hektik, ohne Lärm und, man muss es sagen, mit nicht allzu viel Sonne.
Am Beginn steht Me At The Museum, You In The Wintergardens, der Bass von Basil ist selbstverständlich ein akustischer, die Drums von Freer werden mit Besen gespielt, die Gitarre ist behutsam und die Stimme von Hollie Fullbrook wie eine warme Decke. Wenn sie später in Ballad Of The Hanging Parcel kurz vor dem zweiten Refrain „dreaming, dreaming“ singt, fühlt es sich an, als sei ihre Stimme nur für diese beiden Worte gemacht. Und natürlich hilft es, dass ihre Texte, am meisten trifft das bei Chainmail Maker zu, mit Fug und Recht die Bezeichnung „Poesie“ verdient haben.
Das berückende Straw Into Gold könnte tatsächlich ein Lied aus Grimms Märchen sein, aber nicht das des polternden oder triumphierenden Rumpelstilzchens, sondern das der melancholischen Tochter des Müllers an ihrem Spinnrad. Zu den Höhepunkten zählt auch der Titelsong, aber Brightly Painted One klingt natürlich nicht nach Neonfarben, sondern eher nach einer äußerst filigranen Bleistift- oder Kohlezeichnung. Oder noch besser, wie das gesamte Album: nach einem zauberhaften Aquarell, für das Tiny Ruins ihre Palette um magische neue Farben erweitert haben.
Me At The Museum, You At The Wintergardens live und noch ein bisschen reduzierter:
httpv://www.youtube.com/watch?v=v5LIpK3lOIY