Trümmer – „Interzone“

Künstler Trümmer

Trümmer Interzone Albumkritik Rezension
Ihr zweites Album gehen Trümmer als Quartett an.
Album Interzone
Label Pias
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

„Wir sind die Kinder, vor denen uns die Eltern warnten“, singen Trümmer im ersten Song dieses Albums. Sie wissen vielleicht gar nicht, wie richtig sie damit liegen, wenn auch auf ungeahnte Weise. Denn das Lied verkörpert die drei größten Schwächen von Interzone: Es ist nicht halb so schlau wie es denkt. Es hat zwar einen plakativen, pseudo-rebellischen Titel (Wir explodieren), klingt aber zahm und berechnend. Vor allem aber erkennt es zwar, dass es da ein paar Dinge in der Welt gibt, die dringend hinterfragt werden sollten, weiß aber nicht, wie man das anstellen könnte.

Das Quartett aus Hamburg (zu Sänger Paul Pötsch, Bassist Tammo Kasper und Schlagzeuger Maximilian Fenski ist mittlerweile Helge Hasselberg hinzugekommen, der beim 2014er Debütalbum von Trümmer schon als Produzent mitgewirkt hatte) sieht sich wohl als Sprachrohr einer „Generation, die zwar alles darf und will, aber nirgendwo so richtig ankommt“ (Presse-Info). Aber sie hat selbst nichts zu bieten als Oberflächlichkeit. Für Eltern ist das wohl der weitaus schlimmere Albtraum als wirklich aufsässige Nachkommen: eine Generation, die rumeiert, es am liebsten gemütlich hat, nicht mehr daran glaubt, dass es lohnend sein könnte, sich mit irgendjemandem anzulegen – und es selbst nicht einmal merkt.

Interzone (der Titel des heute erscheinenden Albums spielt großspurig auf William S. Burroughs an) hat ein paar brauchbare Zeilen, Trümmer haben eindeutig auch einen guten Musikgeschmack. Aber die Halbherzigkeit und Selbstüberschätzung dieser Musik ist schwer zu ertragen. Die Stimme von Paul Pötsch ist dünn und ein bisschen kaputt (Hey, Wanda verkaufen damit schließlich auch scheißviele Platten) und die Musik seiner Kollegen ist mal ein bisschen tanzbar, mal ein bisschen elektronisch, aber nie wirklich gewagt oder hemmungslos.

Grüße aus der Interzone könnte man von einem 17-Jährigen noch vielversprechend finden, aber die Jungs von Trümmer sind, wie sie selbst singen „Anfang 20 und vollkommen kaputt“ – und da würde man dann doch so etwas wie ein Ziel erwarten, vielleicht auch mehr Extremismus oder zumindest ein wenig mehr Horizont. Dass es einen Unterschied zwischen Dandy und Poser gibt, müssen sie auch noch lernen, wie das peinliche Dandys im Nebel beweist. Europa Mega Monster Rave ist pseudo-programmatisch; wenn das politisches Engagement sein soll, dann leben wir wirklich in einer Bananenrepublik. Das Glitzern der Nacht fügt der an dämlichen Genres ohnehin nicht armen Musikwelt noch den überflüssigen „Katerjazz“ hinzu, Nitroglyzerin ist, ein Vorwurf, der auf viele Tracks von Interzone zutrifft, kalkuliert und lahm.

Zu den wenigen Lichtblicken gehört Gin Tonic & Wodka Soda, dessen Text es verdient gehabt hätte, noch ein bisschen Mühe reinzustecken. Auch Wie betrunkene Astronauten wird immerhin solide, auch deshalb, weil es mal kein Hit und keine Hymne sein will. Der Rest ist erschütternd: Die Lieder gaukeln Bedeutung und sogar Aufruhr vor, sind aber in der Wahl der Mittel vollkommen konservativ. Sie wollen Identifikation ermöglichen, haben aber nicht einmal Individualität zu bieten. Sie sagen letztlich: Liebes Publikum, wir haben halt auch keinen Peil, aber das ist auch scheißegal, wenn ihr uns freundlicherweise zu Popstars machen solltet.

Das ist wohl der Sound einer Generation, die Neon für ein kritisches Magazin hält, Angela Merkel für eine Politikerin und die Drogen nimmt, nicht um der Scheißwelt zu entfliehen, sondern um effektiver lernen zu können, damit der eigene Lebenslauf noch besser vorbereitet ist für den Erfolg in der Scheißwelt. Man kann nur hoffen, dass es genug Altersgenossen gibt, die dieses aufgesetzte Libertine-Image und diese absolut unaufregende Musik genauso abgeschmackt finden, wie sie ist. Und man kann nur warnen: Liebe junge Mädels – bitte werdet keine Trümmerfrauen!

Interzone wäre ein netter Name für eine Bar, zeigen Trümmer im Video.

Website von Trümmer.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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2 Gedanken zu “Trümmer – „Interzone“

  1. „Und man kann nur warnen: Liebe junge Mädels – bitte werdet keine Trümmerfrauen!“

    neidisch?

    Entspann dich mal. Trümmer sind eine der besten Livebands überhaupt. England wäre froh, wenn es soetwas dort gäbe. Und sag mal… wer bist du eigentlich, dass du dich hier so über alles und jeden beschwerst?

  2. Oooh, endlich mal jemand der auch nicht auf der Hype-Welle mitreitet. Hab sie als Vorband von Foals anfang des Jahres gesehen und war einfach nur… unterwältigt. Das klang wie Schlager, mit ein paar mittelmäßigen Britpopbeats aus den Anfängen der 2000er, mit allen Hipster-Catchphrases und sooo viel Möchtegern-Deepness. Ich verstehe es üüüüberhaupt nicht.

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