„Tschick – Original Motion Picture Soundtrack“

Künstler Diverse

Tschick Soundtrack Rezension Kritik
Eine Woche vor dem Filmstart gibt es bereits die Musik zu „Tschick“.
Album Tschick – Original Motion Picture Soundtrack
Label Warner
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Bis Tschick in die Kinos kommt, dauert es noch eine Woche, der dazugehörige Soundtrack erscheint bereits übermorgen. Er ist „ein abwechslungsreicher Ritt durch die Botanik, der im Radio in dieser Kopplung wie eine sanfte Anarchie klingen würde“, hat Galore ganz treffend festgestellt. Man kann auch sagen: Wie ein Mixtape, das jemand mit gutem Geschmack und Lust auf Abseitiges kompiliert hat.

Dieser jemand ist Fatih Akin, der bei der Verfilmung des Bestsellers von Wolfgang Herrndorf auch Regie geführt hat. „Es ging ums Anderssein. Und das ist der Punkt, der mich auch an dem Roman interessiert hat. (…) Die Moral des Films ist, dass es okay ist, Außenseiter zu sein“, sagt er. Seine Auswahl ist entsprechend mutig und versammelt etliche Acts, die längst bewiesen haben, dass einen das Lebensgefühl der Pubertät auch noch weit jenseits des Teenager-Alters begleiten kann. Hurra, die Welt geht unter ist so ein Beispiel: Der Kontext auf diesem Soundtrack unterstreicht, warum sich der Track von K.I.Z. mit Henning May längst als düstere Jugendhymne im besten Sinne etabliert hat.

Good Better Best von Y’Akoto ist eine Entdeckung, die Goosebumps von Seeed sind erstaunlich gut gealtert, auch der Alex-Christensen-Remix von Affe sucht Liebe schafft es nicht, dem Song von Fraktus seine Einzig- und Andersartigkeit zu nehmen. Bilderbuch sorgen mit Willkommen im Dschungel vor allem für die Erkenntnis, dass sich die Beginner – die mit Thomas Anders vom neuen Album vertreten sind – auch vor solchen Jungspunden nicht zu verstecken brauchen. Canned Tomatoes (Whole) ist keiner der stärksten Momente der fantastischen Courtney Barnett, trotzdem ein eindringlicher Höhepunkt auf diesem Soundtrack. Mit Genius Of Love vom Tom Tom Club gibt es ein bisschen Geschichts- und Coolness-Unterricht für die Kids, die Ballade Pour Adeline von Richard Clayderman, die im Buch eine zentrale Rolle spielt und deshalb hier natürlich gesetzt ist, hat in fast vierzig Jahren nichts von ihrer Kitschigkeit verloren.

Dazu bietet der Soundtrack noch vier Stücke von Vince Pope, der die Filmmusik beigesteuert hat. „Ich habe Vince Pope getroffen und wir haben uns lange über Witz unterhalten – Witz in der Musik, was wahnsinnig schwierig ist. Also traurig, melancholisch, düster, das ist einfach zu schreiben. Aber Witz in Musik, ohne dass es cheesy klingt, das ist schwer. Und Vince Pope hat es hingekriegt“, sagt Fatih Akin, und auch da muss man ihm beipflichten: Auf jeden Fall bekommt Pope es hin, dass seine kurzen (in Summe nicht einmal fünf Minuten langen) Beiträge verspielt und heiter klingen, manchmal sogar erhebend.

Und dann ist da noch French Disko, extra für diesen Film aufgenommen und eindeutig der Höhepunkt der Platte. Der Song ist ein Stereolab-Cover, gespielt von den Beatsteaks mit Tocotronics Dirk von Lowtzow am Gesang. „Ich bin Herrndorf-Fan, die Beatsteaks sind Herrndorf-Fans, Dirk von Lowtzow ist Herrndorf-Fan. Und jeder von uns interpretiert das Buch anders. Und hier war der Moment, anderen Künstlern Freiraum zu geben. Wir haben die Beatsteaks gefragt, die hatten dann die Idee, Stereolab zu covern – mit dem deutschen Text von Dirk“, erklärt Fatih Akin die Entstehung dieses Lieds. Die Stimme und der unnachahmliche Gestus von Dirk von Lowtzow schaffen es dabei, sowohl die Musik der Beatsteaks als auch die Vorlage von Stereolab mühelos in den Schatten zu stellen. Der Song ist wie das Buch und (wie man ab nächste Woche hoffentlich feststellen wird) wie der Film: ein Abenteuer.

Saufen in der Autowerkstatt bietet das Video zu French Disko.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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