Hingehört: Underparts – „Wild Swimming“

Künstler Underparts

Underparts Wild Swimming Kritik Rezension
Dieser See sieht nur auf das ersten Blick einladend aus.
Album Wild Swimming
Label Yo-Yo Records
Erscheinungsjahr 2016
Bewertung

Wildbaden, so übersetze ich den Titel des zweiten Albums von Underparts einmal, ist natürlich eine verlockende Idee. Es klingt nach Abenteuer, Flirt, Unbeschwertheit, Jugend – zumindest, bis man das Albumcover von Wild Swimming genauer betrachtet. Der darauf abgebildete See sieht nicht allzu einladend aus. Der Weg zum Ufer ist von stachligen Zweigen versperrt, im Wasser steht erst Schilf im Weg, bevor sich dann eine Brühe voller Algen ausbreitet. Und das Licht, in dem diese Szene eingefangen wurde, sieht auch nicht gerade nach einem strahlenden Sommertag aus, sondern deutet eher auf einen bedeckten Himmel hin.

Man kann in dieser Kombination aus Name und Hülle des Albums die vielleicht wichtigste Stärke des 2009 gegründeten Quartetts aus Köln ableiten. Maarten, Franky, Chris und Björn, die vor ihrer Zeit bei Underparts in Bands wie The Dimensions oder Deny Everything aktiv waren, machen Punkrock, aber sie haben eine Abneigung gegen das Offensichtliche.

Sie können knüppelharte Tracks wie Take What’s Left abliefern oder den Titelsong, der wie ein ungefilterter Ausbruch von Energie klingt. Aber sie bieten auf dem Nachfolger des 2013er Debütalbum Steady Gaze viel mehr Facetten. Hall ist ein wichtiges Stilmittel in ihrem Sound, auch zwei Instrumentalstücke gibt es auf Wild Swimming.

Vor allem aber gibt es in den Songs von Underparts auch dann, wenn sie näher an den üblichen Koordinaten von Punk, Hardcore, Emo oder Powerpop sind, immer wieder sehr clevere Details, die entscheidend dazu beitragen, dieses Album so stark zu machen. Second Call beispielsweise hat viel Tempo und noch mehr Punch, das darin enthaltene “Whooohoho” ist aber nicht nur der Versuch, die eigenen Mitstreiter und Anhänger zu motivieren, sondern auch ein Ausdruck von Schmerz und Enttäuschung. The Fault enthält viel Leidenschaft, allerdings auch einen Hauch Melancholie. “I am the master of depression / do you need a lesson?”, heißt es gar in Void, das druck- und fantasievoll wird und natürlich bei weitem nicht so hoffnungslos klingt, wie diese Zeile es vermuten ließe.

Der Wert jedes einzelnen Menschen wird in Here’s To You besungen, inklusive des Hinweises, dass dieser Wert meist noch viel beträchtlicher ist, wenn dieser Mensch als Außenseiter lebt. Zusammenhalt, Respekt und Toleranz: Das sind die Werte, die dieses Lied tragen und auch sonst bei Underparts immer wieder erkennbar werden.

The Way erweist sich als das reifste Stück auf Wild Swimming, ohne dass dabei Spaß, Frische oder Power auf der Strecke bleiben. Begging You beweist, dass Underparts auch Liebeslieder können – und zwar sogar solche, die auch wunderbar auf Weezers Pinkerton gepasst hätten. Quit ist ein weiteres Highlight: Der Song hat ein sehr schickes Riff, im gleichen Maße schräg, kraftvoll und eingängig, wie das einst Dinosaur Jr hinbekommen haben. In Zeilen wie „I’m not okay with this“ und dem als Weckruf gemeinten Frage „Who told you to function like this?“ stecken zudem viel Widerstand, Skepsis und Stolz – eine sehr willkommene Kombination.

Das Video zu Begging You ist eindeutig nicht vom Kölner Stadtmarketing finanziert.

Underparts bei Facebook.

Michael Kraft

Michael Kraft ist Diplom-Journalist und lebt in Leipzig. Auf shitesite.de schreibt er seit 1999 als Hobby über Musik, Filme, Bücher und ein paar andere Dinge, die ihn (und vielleicht auch den Rest der Welt) interessieren.

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