Künstler | View | |
EP | Avalon | |
Label | Cargo | |
Erscheinungsjahr | 2017 | |
Bewertung |
Sido und Eminem findet man gerade in den Top20 der deutschen HipHop-Charts. Blickt man über den großen Teich, tummeln sich dort Bruno Mars, Big Sean und Rihanna. Das kann man durchaus als Stagnation betrachten, aber die wirklich spannenden Entwicklungen des Genres finden natürlich ohnehin stets außerhalb der Charts statt. Zum Beispiel in Helsiniki.
Dort ist View zuhause, der heute mit Avalon seine zweite EP veröffentlicht. Die Herkunft ist durchaus entscheidend in der Musik der 23-Jährigen, denn sein Sound passt wunderbar zum Klischee des leicht trübsinnigen Nordmanns. „Dark Hop“ oder „Hip Noir“ haben die Finnen das genannt, und wie reizvoll diese Konstellation sein kann, beweisen die sechs Songs von Avalon. Die EP, produziert von Joonas Laaksoharju, besticht mit einer sehr stimmigen Atmosphäre, einer klaren Ästhetik und einem unverwechselbaren Sound, bei dem Stimmeffekte ebenso wichtig sind wie TripHop- oder Dub-Einflüsse.
Das Intro Late zeigt gleich, wie bedrohlich die Musik von View sein kann: Die Stimme ist mindestens so unheilschwanger wie die von Tricky, die Aggressivität des Sounds besteht darin, dass er so wohlüberlegt und präzise ist.
Auch sonst braucht der Finne kein Kraftprotzen, um seine Macht zu demonstrieren, auch wenn der Bass im Titelsong Avalon so tief ist, dass er durchaus ein paar Gegner in die Knie zwingen könnte, oder in Spill (mit einem sehr coolen Gastauftritt von Noah Kin) ein Schiffshorn zeigt, wo der Hammer hängt.
Noch stärker sind die subtilen Passagen dieser EP. In OTL ist der Beat kaum auszumachen, trotzdem verbreitet dieser Track, der fast Hörspiel-Charakter bekommt, eine beträchtliche Nervosität. Im verspielten Ebb N Flow entdeckt View die Gezeiten als Metapher für die Vergänglichkeit. Und Lace (feat. LCMDF), der letzte von sechs Tracks, ist so wie alles auf Avalon: Smooth und zurückgenommen, ohne einen Moment langweilig zu sein.