Künstler | Villagers | |
Album | Where Have You Been All My Life? | |
Label | Domino | |
Erscheinungsjahr | 2016 | |
Bewertung |
Mit einigem Recht kann man das heute erscheinende Where Have You Been All My Life? als Live-Album betrachten. Erstens wurde das Werk an einem einzigen Tag mit Produzent Richard Woodcraft (Radiohead, The Last Shadow Puppets) in London aufgenommen, und zwar mit maximal zwei Takes pro Lied. Zweitens vereint die Platte viele Songs der bisherigen drei Villagers-Werke: Jeweils zwei sind von Becoming A Jackal (2010) und {Awayland} (2013) vertreten, gleich sechs Song des im April 2015 veröffentlichten Vorgängers Darling Arithmetic erklingen. Und zwar in einem neuen Gewand, denn – und damit sind wir bei drittens – das Konzert-Erlebnis der jüngsten Tournee gab den Anstoß, einige der besten Songs der Villagers noch einmal neu zu interpretieren.
Gleich der Auftakt Set The Tigers Free zeigt, welchen Klangkosmos Where Have You Been All My Life? entfalten wird: Akustische Gitarre, Besenschlagzeug und eine leise Orgel sind die bestimmenden Instrumente. Auch danach werden gerne Harfe, Streicher und Bläser eingesetzt, und das Ergebnis könnte man als „Simon & Garfunkel ohne Niedlichkeit“ zusammenfassen. Die Lieder der Iren haben tolle Texte, gerne mit Bezug zur Natur, sie sind innig, warm und kuscheltauglich, aber nicht kitschig.
Das demütige Everything I Am Is Yours zeigt dabei, dass man Sanftheit bei den Villagers keineswegs mit Gemütlichkeit verwechseln sollte. Auch That Day, das verträumt beginnt und am Ende fast weggedämmert, hat zwischendurch so einen Ausbruch von Leidenschaft, den man gar nicht hat kommen sehen.
Es ist dieser feine Sinn für Dynamik, der Villagers hier auszeichnet. Wenn es von der akustischen Gitarre in Darling Arithmetic ausnahmsweise mal Geschrammel statt Picking gibt, ist das fast schon ein Ausrufezeichen. So Naïve baut eine hypnotische Gitarrenfigur auf, die an Nick Drake erinnert und zur Grundlage für so etwas wie eine Meditation wird. Auch My Lighthouse ist meisterhaft arrangiert.
Erstaunlich ist neben der großen Klasse der Songs auch der Charakter von Ernsthaftigkeit, Weisheit und Ewigkeit, den sie ausstrahlen. Zwar ist Frontmann Conor O’Brien (31) kein Jungspund mehr, aber in seinen Liedern wirkt er mindestens doppelt so alt. “I’m a bit older and I’ve more to write about. I think if I tried to write this album five years ago, I wouldn’t have had enough life experience to write about from the first person. I feel now that I can say ‘me’ or ‘I’ instead of ‘jackal’”, hat er unlängst der Irish Times verraten, und diesen Erfahrungsschatz merkt man den Songs an. Es sind Lieder von jemandem, der viel erlebt, viel Leid und Schönheit gesehen hat.
In Memoir beispielsweise kommt er nicht von der Erinnerung an die einstige Liebe los, egal, wem sie sich nun auch in die Arme wirft. Das Lied hat O’Brien für Charlotte Gainsbourg geschrieben, die es auf ihrem 2011er Album Stage Whisper gesungen hat; jetzt gibt es erstmals eine Version der Villagers selbst. Auch Hot Scary Summer hat solch einen Januskopf: Es ist ein unfassbar schönes Liebeslied, gerade weil es nicht von einem Idyll erzählt, sondern von harter Arbeit und von der Angst – unter anderem auch von der Angst, jemand zu sein, der gar nicht lieben kann. Wichita Lineman schließlich wird als Schlusspunkt der Platte ein so hemmungsloses Bekenntnis zur Idee des Schönen, dass man kaum wird widerstehen können.
Das ist eindeutig das Prinzip bei den Villagers, das auf Where Have You Been All My Life? vielleicht besser zum Tragen kommt als je zuvor: Ihre Musik zeigt, wie wundervoll Sensibilität sein kann.
Da ist das Live-Erlebnis, und zwar von Everything I Am Is Yours.
Im Februar gibt es Konzerte der Villagers in Deutschland.
19.2. Düsseldorf – Zakk
20.2. München – Strom
22.2. Berlin – Postbahnhof
23.2. Frankfurt – Zoom