Künstler | Wanda | |
Album | Bussi | |
Label | Capitol | |
Erscheinungsjahr | 2015 | |
Bewertung |
Ich steh‘ auf Schmäh. Als kleiner Junge haben mir die Lieder von Falco fast genauso viel Freude bereitet wie die Tore von Toni Polster. Noch immer verstehe ich nicht, warum die Trackshittaz 2012 nicht den ESC gewonnen (und es nicht einmal ins Finale geschafft) haben. Es gibt sogar Leute, die mich innerhalb des geschützten Raums einer Karaokebar mit Peter Cornelius verwechseln.
Am österreichischen Akzent kann es also nicht gelegen haben, und trotzdem habe ich Wanda nicht verstanden. Schon sehr früh schwärmten mir Leute, von deren Empfehlungen ich normalerweise viel halte, von der Band vor. Ich hörte rein – und verstand es nicht. Können junge Menschen, die bodenständige Rockmusik mitten aus dem Leben mit deutschen Texten und hübschen Melodien wollen, nicht Madsen hören?
Bald nahm die Wanda-Begeisterung größere Ausmaße an. Ich sah die fünf Österreicher als Vorband von Kraftklub – und verstand es nicht. Wenn diese Fans unbedingt seltsame Text mit seltsamem Akzent von Menschen in noch seltsameren Outfits hören wollen, sind sie dann bloß zu jung, um sich noch an die Sportfreunde Stiller erinnern zu können?
Jetzt habe ich Bussi gehört, das morgen erscheinende zweite Album von Wanda – und verstand es nicht. Zumindest am Anfang. Gewöhnungsbedürftig ist zunächst der Sound: Bussi klingt wie ein Live-Album, bei dem man das Publikum weggeblendet hat, vereint Lo-Fi mit ganz viel Hall. Danach stellen sich wieder Assoziationen zu bereits bestens etablierten deutschsprachigen Künstlern ein, ohne dass man so schnell die Antwort auf die Frage „Was haben Wanda, was die nicht haben?“ finden könnte.
Meine beiden Schwestern würde mit seinem assoziativen Text und der interessanten Melodieführung gut ins Repertoire von Selig passen. Das herrliche Kein Herz im Hirn ist eine glaubwürdige (und trinkfeste) Absage ans dämliche Bekenntnis zum ständigen Kämpfen um eine längst verlorene Sache, das man sich auch bei der Liga der gewöhnlichen Gentlemen vorstellen könnte. Lieber dann als wann zeigt, das Wanda auch gemein sein können, notfalls auch gegen sich selbst, und wäre nicht nur wegen seines robusten Rockabilly-Klanggewands auch von den Ärzten vorstellbar.
Doch nach zahlreichen solcher Vergleiche bemerkt man, hat man Bussi erst ein paar Mal gehört, zunächst einen beträchtlichen Charme und dann doch so etwas wie Einmaligkeit. Sie liegt in der Summe all der Vorbilder, die Wanda in ihrem Sound vereinen. Im hymnischen Sterne liefert Frontmann Marco Michael Wanda die beste Zeile des Albums: „Öffne den Mund / und ich leg mich hinein / es gibt keinen Grund / sterblich zu sein“. Nimm sie wenn du’s brauchst hat viel Leidenschaft, Gib mir alles beweist, dass die Österreicher auch Zwischentöne und exotische Rhythmen beherrschen.
Bussi Baby ist vielleicht der Song, der dann am deutlichsten macht: Es gibt keine andere Band, von der man sich so ein Lied vorstellen könnte als Wanda, mit Akzent oder ohne. Sie spielen mit ihrem Status (Alarm!, neben dem enttäuschenden Mona Lisa der Lobau einer von nur zwei Songs der Platte, die nach dem großen Durchbruch geschrieben wurden, liefert Western-Feeling und den obligatorischen „Amore!“-Schlachtruf), mit ihrer Lust auf Amüsement irgendwo zwischen Kumpels und Kokain, mit ihrer Freude am Massenwirksamen (Das war schön ist so sehr auf Effektivität aus, dass man beinahe den ziemlich irren Bass von Ray Weber überhören könnte), mit dem Wissen, dass die Lebenszeit, die ihnen 100 Konzerte innerhalb eines Jahres eingebracht hat, vielleicht morgen schon vorbei sein kann.
Marco Michael Wandas Stimme vom Typus kaputter Romantiker à la Pete Doherty hat einen großen Anteil daran, dass das funktioniert. Auch die Tatsache, dass Wanda sich in einem Moment mit so etwas anstrengenden wie Gedanken über die Gesellschaft belasten und ihren Horizont stattdessen streng auf den eigenen Bekanntenkreis beschränken, trägt sicher dazu bei.
In den besten Momenten, wie dem Auftakt 1, 2, 3, 4 macht sich im Ergebnis eine bewusste Einfachheit, Ursprünglichkeit und Naivität breit, die man vielleicht am ehesten mit, jawohl, She Loves You vergleichen kann und die womöglich die musikalische Entsprechung von Bergwandern in Multifunktionskleidung, mit Wellness-Abend zur Behandlung des Muskelkaters ist. Oder es entstehen Songs, die herrlich wacklig auf den Beinen sind wie Andi und die spanischen Frauen.
Vielleicht ist das schon das ganze Geheimnis an Wanda: Sie machen ihr Ding, irgendwie besonders, irgendwie mitreißend, irgendwie traurig. Das ist nicht unbedingt die passende Musik für Leute mit einem aufregenden Leben, aber sicher die passende Musik für Leute, die gerne ein aufregendes Leben hätten oder mal eins hatten. Und man kann sehr gut Schnaps dazu trinken.